0557 - Die Schlangengruft
vorwiegend nachts aktiv war und dafür morgens gern lange schlief. Zum Teil lag das daran, daß er sich damit den Gewohnheiten und Aktivitäten dämonischer Wesen anpaßte, die erjagte. Und den Schwarzblütigen gehörte nun mal die Nacht.
Aber hier im Camp hatte er sich den Frühaufstehern weitgehend angepaßt -schon des Klimas wegen, das auch den Standhaftesten spätestens eine Stunde nach Sonnenaufgang aus dem Zelt trieb.
Heute ließ der Standhafte sich auch eine Stunde nach Sonnenaufgang noch nicht sehen.
Uschi Peters öffnete sein Zelt.
»Schlafmütze, aufwachen! Du willst doch nicht… hoppla!«
Sie richtete sich wieder auf.
»Leer!«
Die anderen sahen sich erstaunt an. Früher als die anderen aufzustehen, das paßte nun überhaupt nicht zu dem Franzosen.
Man begann sich Gedanken zu machen.
Tendyke nahm Uschi zur Seite. »Kommt lieber nicht auf die Idee, Gebrauch von euren telepathischen Fähigkeiten zu machen. Nehmt es, wie es kommt. Zamorra befindet sich im Tempel. Versucht nicht, dort nach ihm zu suchen und seinen Standort auszuloten. Ich weiß, wo er ist.«
»Was läuft hier eigentlich?« fragte die Telepathin. Sie entdeckte Zamorras Amulett vor Tendykes Brust. »Warum trägst du Merlins Stern und nicht er? Himmel, hier stimmt doch etwas nicht!«
»Ganz ruhig, es läuft alles nach Plan«, erwiderte er. »Es sieht zwar sehr merkwürdig aus, aber ich weiß, was ich tue. Willst du in meinen Gedanken lesen? Ich öffne die Sperre.«
»Ich glaube dir auch so«, erwiderte sie leise.
Mit seinen Gedanken, seinem Bewußtsein zu verschmelzen - das war Vorbehalten für bestimmte, ganz private Situationen, die nur Rob, Monica und sie etwas angingen und sonst niemanden… Ebenso kümmerten sich die Telepathinnen nicht um die Gedanken anderer Menschen. Es sei denn, es mußte sein, um Leben zu schützen und zu bewahren. Oder um Dämonen und ihre Diener zu jagen. Ansonsten war die Privatsphäre anderer grundsätzlich tabu - Gedanken sind frei. Und Telepathen hatten ihre eigenen Probleme und brauchten sich nicht auch noch die seelischen Konflikte und Neurosen anderer Menschen aufzuladen, die bei jedem im Unterbewußtsein verankert sind. Und die bekamen sie automatisch mit, wenn sie in fremden Gedanken forschten. Selbst eine gezielte Suche schloß nicht aus, daß sie auch Nebengedanken wahrnahmen, an denen sie gar nicht interessiert waren, die aber psychisch enorm belasten konnten.
Deshalb war Uschi auch ein wenig verblüfft, als Tendyke sie anschließend bat: »Versuch Achmeds Gedanken zu lesen. Kannst du das?«
»Warum sollte ich?«
»Tu es einfach. Vertrau mir.«
Er mußte einen triftigen Grund dafür haben, sonst hätte er sie nicht darum gebeten. Dennoch wollte sie zuvor mehr wissen.
»Worum geht es eigentlich, Rob? Was wird hier gespielt? Daß du Zamorra hergebeten hast, kann ich noch verstehen, aber jetzt…? Was ist los? Wo im Tempel ist er und warum? Und was ist mit Achmed?«
»Kannst du seine Gedanken lesen?« wiederholte er eindringlich.
Sie schloß die Augen. Sekundenlang versuchte sie, den Ägypter mental zu berühren. Sie fand den Kontakt, aber nicht die Gedanken, denn da war eine Sperre ähnlich der, wie sie die Angehörigen der Zamorra-Crew besaßen.
Allerdings sah diese Sperre ganz anders aus, war auf irgendeine unerklärliche Weise aggressiver.
Sie schüttelte den Kopf. »Geht nicht. Aber wieso nicht? Was ist mit Achmed?«
Tendyke atmete tief durch.
»Das weiß ich selbst noch nicht genau«, behauptete er.
Die blonde Telepathin faßte nach seinem Unterarm. »Das stimmt nicht«, sagte sie. »Du verschweigst mir etwas!«
»Strahlt Achmed nur ein Bewußtsein aus oder mehrere?« fragte er.
»Wie kommst du darauf?«
»Mehrere, ja oder nein?«
»Nein!« fauchte Uschi Peters, und dann wurde sie laut. »Wie wäre es, wenn du mir endlich sagst, worum es geht?«
»Leise, ja?« warnte er. »Ich habe dir angeboten, es in meinen Gedanken zu lesen. - Er ist also nur er selbst?«
»Ja! Natürlich! Was hast du erwartet?«
»Ein Bewußtseinskollektiv«, sagte Tendyke. »Mehrere Geister.«
»Ich denke, du kannst Geister sehen?«
»Wenn sie körperlos sind, Achmed ist aber materiell stabil.«
Sie ließ ihn nicht los. »Ich will wissen, was hier geschieht! So seltsam hast du dich noch nie verhalten.«
Er zuckte mit den Schultern. »Hoffentlich versteht Achmed nicht zufällig auch noch Deutsch«, murmelte er und wechselte flüsternd in die Muttersprache der Zwillinge.
Uschis Augen wurden
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