0558 - Aus dem Jenseits entlassen
Schultern. »Mag sein, aber das falsche, mein Freund. Wollen Sie hier den Kutscher spielen?«
»Das hatte ich vor.«
»Und die Frau.«
»Es ist meine.«
Ich schaute sie an. »Stimmt das, Madam?«
Sie nickte zweimal. Ihre Lippen bewegten sich dabei, obwohl sie fest aufeinander lagen. Mir war klar, daß sie Sorgen hatte. Etwas stimmte nicht zwischen den beiden. »Und sie soll mit, nicht wahr?«
»Ja, sie ist vorbereitet. In den Träumen hat sie bereits gesehen, was auf sie zukommt. Ich muß sie einfach mitnehmen. Sie kann nicht mehr zurück. Sie hätte den Kopf nicht zur Seite nehmen sollen, als das Messer durch das Bild stieß.«
»Durch dieses Bild!«
»So ist es, Mister!« schrie die Frau und riß sich plötzlich los. Sie sprang auf mich zu. Weit gespreizt waren ihre Arme, so daß ich mir vorkommen mußte wie ein Rettungsanker.
Ich ging nicht zur Seite, sonst wäre sie gestürzt. So fing ich sie ab und auf, ein Fehler, denn ihr Mann reagierte hart und verdammt kompromißlos. Seine Frau lag noch in meinen Armen, als er die Rechte zur Faust ballte und sie mir wuchtig auf den Kopf schlug.
Für einen Moment kam ich mir wie ein Mann vor, dessen Gehirnplatte einen Sprung bekommen hatte. Ich sah Sterne und merkte, daß ich Kraft verlor. Die Frau glitt mir aus den Armen. Ich torkelte zurück und glaubte, nicht auf dem normalen Boden zu laufen, sondern durch ein Meer von Watte, das meine Schritte dämpfte.
Irgendwo stieß ich gegen die Wand, noch völlig benebelt im Hirn.
Ich dachte weniger an mich als an die Frau, riß die Augen auf und erkannte sie nur verschwommen.
Leider war ihr Mann zu nahe bei ihr. Er hatte sie gepackt und wollte sie auf das verdammte Bild zuschleudern.
Ich startete, stolperte, geriet ihr in den Weg, so daß wir beide stolperten und zu Boden fielen. Ich über die Frau.
Der Schwarzgekleidete stand zwischen uns und dem verfluchten Gruselbild, Anscheinend dachte er darüber nach, was er unternehmen sollte, denn er machte auf mich einen ziemlich unschlüssigen Eindruck.
Mir reichten die verstrichenen Sekunden aus, um mich wieder etwas besser zu fühlen.
Ich wollte ihn packen.
Dazu mußte ich erst auf die Füße kommen. Es waren unvollkommene Bewegungen. Als ich schließlich stand, war die beste Zeit vorbei. Da hatte sich der Kutscher schon in Bewegung gesetzt.
Sein Ziel war das Bild.
Zwei Schritte reichten ihm. Er stieg hinein, bevor ich ihn festhalten konnte. Innerhalb einer winzigen Zeitspanne gelang es ihm, den Kutschbock zu erklettern und die Zügel in die Hände zu nehmen.
Ich wischte über mein Gesicht. Noch immer hing der dumpfe Schmerz unter der Schädeldecke. Er ließ sich auch nicht vertreiben, doch aufgeben wollte ich auch nicht.
»Bleiben Sie hier!« rief ich der am Boden liegenden Frau zu.
»Nein, Mister, nicht!« Sie kreischte die Warnung, weil sie gesehen hatte, daß ich auf das Bild zuging.
Alles oder nichts!
Hier konnte ich nichts unternehmen. Wenn ich dem Spuk ein Ende bereiten wollte, dann in Aibon.
Aber würde man mich hineinlassen?
Ich nahm einen kurzen Anlauf…
Das Bild flirrte vor meinen Augen. Etwas wehte mir wie ein lauer Atem entgegen, und das Schreien der Frau wurde leiser, bis es verstummt war und mich eine völlig andere Welt umfangen hatte.
Es war mir tatsächlich gelungen, wieder einmal das Land Aibon zu betreten…
***
Suko war nicht auf dem direkten Weg zum Honeymoon gefahren, er hatte zwischendurch einen Stopp eingelegt, weil er sich nicht im klaren darüber war, ob er das Richtige getan hatte.
Hätte er nicht auf die Frau hören sollen? Okay, sie hatte einen Alptraum gehabt, doch ihre Worte hätten ihn noch mißtrauischer machen müssen. Etwas störte ihn.
Suko fand nicht heraus, ob es mit ihr oder ihrem Mann zusammenhing, er glaubte auch nur seinem Gefühl, das jedoch nahm an Stärke zu, so daß sich auch die Unruhe vermehrte.
Suko wendete und war froh darüber, in keiner Einbahnstraße zu fahren. Wenig später ließ er den BMW wieder vor dem Haus der Camrums ausrollen, stieg aus dem Wagen und fand die Haustür offen.
Er lief in den Flur. Rasch hatte er die zweite Etage erreicht und schellte.
Niemand öffnete ihm. Hinter der Wohnungstür blieb alles ruhig.
Aus der Nachbarwohnung trat ein glatzköpfiger Mann, der an einer billigen Zigarre paffte.
»Wollen Sie zu denen?«
»Ja.«
»Sie waren doch vorhin schon mal hier.«
»Richtig.«
Der Glatzkopf deutete auf das Guckloch in der Türmitte. »Man kann eben viel sehen.«
»Okay,
Weitere Kostenlose Bücher