0561 - Hetzjagd der Vampire
Oder ob sich noch ein Artgenosse in der Nähe befand?«
»Ich weiß es eben«, murrte Gryf.
»Das Wesen könnte sich abgeschirmt haben.«
»Aber um einen Sarg verschwinden zu lassen, braucht man eine Menge Energie«, erinnerte der Druide. »Und man braucht auch eine Menge Zeit, um nicht nur die Klamotten des Vampirs zusammenzuraffen, sondern auch seinen Staub zu entfernen. Jedenfalls wesentlich mehr Zeit, als zur Verfügung stand. Ich verstehe das nicht.«
»Hast du Merlin schon gefragt?« wollte Zamorra wissen.
Gryf zuckte mit den Schultern. »Kann ich nicht. Der alte Zauberer hält sich derzeit auf dem Silbermond auf. Will dort wohl mal nach dem Rechten sehen. Und du weißt ja, Normalsterbliche wie wir haben da ohne Julians Hilfe keinen Zutritt.«
Normalsterbliche war weit untertrieben; weder Gryf noch Zamorra oder Nicole gehörten dazu. Sie besaßen die relative Unsterblichkeit; sie alterten nicht mehr, nur Gewalteinwirkung konnte sie töten.
Aber was den Zutritt zum Silbermond anging, hatte der Druide nicht unrecht, denn der umkreiste die Erde nicht nur um fünfzehn Minuten in die Zukunft versetzt, sondern auch in einer Traumsphäre, die von Julian Peters geschaffen worden war. Das war erforderlich, weil es sonst zu einem Zeitparadoxon kommen würde, das das Universum zerstören konnte.
Denn in der realen Zeitlinie war der Silbermond schon vor vielen Jahren vernichtet worden. Merlin hatte ihn aber unter gewaltigem magischen Energieaufwand unmittelbar vor der Vernichtung aus dem Zeitstrom gerissen und in die Gegenwart geholt. Das jedoch durfte eigentlich nicht sein, weil es eine Veränderung der bereits gefestigten Vergangenheit darstellte, und in der cxisl irrte der Silbermond eben nicht mehr.
Julian Peters’ künstlich erschaffene Traumwelt und die Verschiebung der Existenz des Silbermondes um fünfzehn Minuten in die Zukunft sorgten dafür, daß die alte und die neue Wirklichkeit nicht miteinander kollidierten. Sie durften es nicht; die Katastrophe wäre unüberschaubar.
Eine Kostprobe dieser Katastrophe hatten Zamorra und seine Freunde damals bekommen, als sie alle durch einen Berechnungsfehler Merlins ins Jahr 2058 geschleudert wurden, in eine Zukunft, in der die Erde zur Hölle geworden war. [1]
Merlin war also im Moment nicht greifbar…
»Ich werde mal ein Suchprogramm starten«, versprach Zamorra. »Vielleicht finden unsere Combies ja einen Hinweis.«
»Zombies?«
»Mein geliebter Chef geruhte unser Sammelsurium von Computern so zu taufen«, verriet Nicole. »Computer, Compys, Combies, Zombies… na ja, als Professor braucht man von korrekter Rechtschreibung ja nicht mehr viel zu wissen, man kann ja notfalls einfach neue Unwörter erfinden.«
Zamorra winkte ab. »Als Professor paßt man sich nur der Studentenschaft an. Rechtschreibkurse für Examenskanditaten sind an den Universitäten schon längst nichts Ungewöhnliches mehr. Ich frage mich seit Jahren, was die Leute eigentlich in der Schule noch lernen.«
»Vermutlich, wie man sich der Lehrer erwehrt«, krähte jemand neben ihnen.
Fooly, der Jungdrache aus dem Drachenland. Niemand, nicht einmal Nadine, hatte bemerkt, wie er sich aus der kleinen Spielgruppe gelöst hatte und herbeigekommen war. Jetzt stand er spreizbeinig da, ein wohlbeleibtes Individuum von etwa 1,20 m Größe, mit einem langgezogenen Reptilkopf, großen Telleraugen, die immer erstaunt und verwundert wirkten, vierfingrigen Händen mit ausfahrbaren Krallen, grünlicher Haut mit bräunlichen Flecken und einem Rückenkamm mit dreieckigen Hornplatten, die am Kopf begannen, sich über den Rücken zogen und sich verjüngend bis zur Spitze des Schwanzes hinzogen. Hinzu kamen Flügel, die allen physikalischen Gesetzen zufolge viel zu klein waren, um das fette Geschöpf fliegen zu lassen; Fooly ignorierte die Physik und flog dennoch, wenn auch mehr schlecht als recht.
Herangeflogen war er allerdings nicht, sondern mußte sich zu Fuß genähert haben. Der kleine Bursche, der Butler William vor einiger Zeit gewissermaßen zugelaufen war, hätte sonst garantiert eine mittlere Katastrophe verursacht - wie immer, wenn er sich »sportlich« betätigte.
»Lehrer sind böse Menschen«, dozierte Fooly mit erhobenem Zeigefinger. »Sie quälen ihre Schüler mit dem Zwang zum Stillsitzen und Ruhigsein, sie erzählen ihnen die abstrusesten Dinge und sind außerdem strohdumm, denn Augenblicke später haben sie selbst schon wieder alles vergessen und müssen ihre Schüler danach fragen.
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