0561 - Leichenwagen zur Hölle
selbst gestorben, wie?«
»Ja, in der Zelle und nach meiner Verurteilung. Ich habe es gehaßt, eingesperrt zu werden. Wer sich mit Giften auskennt, für den darf es keine Schwierigkeit sein, sich selbst umzubringen. Ich trug die Kapsel in einem meiner Zähne versteckt. Eine alte Methode, auf die niemand kam. Zudem war ich dem Spuk versprochen, ich hatte also keine Angst vor dem Tod. Den beiden anderen ist es ebenso ergangen. Wir wußten nur nicht, daß auch der Teufel unsere Seelen wollte. Aber nun bist du da und wirst uns den Weg ebnen.«
»Der Spuk gehört nicht gerade zu meinen Freunden. Er besitzt zwei Dinge, die mir und einer Freundin gehören. Einmal den Würfel des Unheils, zum anderen den Trank des Vergessens.«
»Das wissen wir auch. Doch er erinnerte uns daran, daß er dir schon einige Male zur Seite gestanden hat.«
»Das stimmt.«
»Dann solltest du auch ihm eine gewisse Dankbarkeit entgegenbringen, John Sinclair.«
Fast hätte ich gelacht. Dankbarkeit zählte bei Dämonen und deren Helfern nicht. Jeder war nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht und ging über Leichen.
Isabella Montalvo war stehengeblieben. Im Licht der Fackel sah ich die Umrisse einer alten Tür. Sie war gut in das Mauerwerk eingepaßt worden. Sogar die alten Eisenbeschläge schimmerten an den Seiten und am Schloß wie dicke Rostflecken.
Ich holte meine kleine Leuchte hervor und strahlte das Schloß an.
Einen Schlüssel sah ich nicht, dafür eine Klinke, die mich an einen übergroßen nach unten gebogenen und erstarrten Tropfen erinnerte.
Isabella legte die Hand auf das Metall.
Es war offen.
Ein jämmerlich klingendes Quietschen erklang, als sie die Tür nach außen drückte. Gequälte Seelen schienen ihr ihren Kummer entgegenschreien zu wollen.
Der Weg in die Tiefen der Grüfte war frei.
Schon oft hatte ich vor alten, schiefen Steintreppen gestanden. Gewöhnen konnte ich mich an sie nie. Auch hier wehte mir ein monströser Atem oder Hauch entgegen, der sich in der Tiefe des Kellers gesammelt hatte.
Isabella hatte den Fackelarm vorgedrückt, so daß sie in den Treppenschacht hineinleuchten konnte.
Licht bedeutet Leben. Auch hier lebte die Finsternis plötzlich, nur war es ein sehr unruhiges, schauriges Leben und mehr der dunklen als hellen Seite zugewandt.
»Was erwartet mich dort unten?«
Sie lächelte hintergründig. »Vielleicht das Rätsel der Zeit und der Hölle.«
»Auch der Tod?«
»Du wirst dich schon korrekt verhalten, mein Freund.«
Das war Mahnung und Warnung zugleich. Sie ließ mich vorgehen, weil sie mit der Fackel leuchten wollte. Ich ging das Risiko ein, sie in meinem Rücken zu wissen.
Die Stufen der Treppe erwiesen sich als die reinsten Fallen. Sie waren an einigen Stellen nicht nur sehr glatt, sondern zeigten Zerstörungen oder waren nach vorn regelrecht weggebogen.
Da kein Geländer vorhanden war, stützte ich mich an der rechten Wand ab und spürte den Schmier unter meiner Handfläche. Er setzte sich zusammen aus Fackelruß, Feuchtigkeit und pflanzlichen Resten. Isabella Montalvo hielt die Fackel derart günstig, daß ihr Schein meinen Weg in die Tiefe begleiten konnte.
Zunächst hatte es den Anschein gehabt, als würde die Treppe kein Ende nehmen. Ich war froh, die letzte Stufe zu sehen, schaffte sie ebenfalls und befand mich in dem nach Moder riechenden, unterirdischen Gewölbe wieder, wo der Horror zu Hause war.
Auch Isabella kam.
Ich schaute ihr entgegen. So wie sie die Treppe hinabschritt, hätte sie auch eine Filmdiva sein können. Ihr unten glockenförmig auseinanderfließender Mantel umwehte bei jedem Schritt ihre Knöchel.
Der Fackelschein schuf ein unwirkliches Leben auf ihr ansonsten erstarrt wirkendes Gesicht. Sie kam wie eine Königin der Toten in dieses gruftähnliche Gewölbe.
Ich war auf der Hut. Wenn vor langer Zeit bereits der Teufel seine Heimstatt hier unten gehabt hatte, dann hatte er sie auch jetzt nicht verloren gegeben. Bestimmt würde es zu einer Konfrontation mit meinem Erzfeind kommen.
Die Frau blieb neben mir stehen. Mir brannte eine Frage auf der Zunge: »Wo haben die Verbrecher und Mörder damals gelegen?«
»Komm mit!« hauchte sie, »ich werde es dir zeigen. Es ist die Stätte des Satans…«
Wir mußten tiefer in das Gewölbe hinein. Unsere Schritte setzten wir behutsam. Kein Echo gaben die Wände wider. Wir schlichen dem Ziel entgegen.
Der Fackelschein durchleuchtete die Finsternis immer mehr. Mal tanzte er über die Decke, mal glitt er an den Wänden
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