0561 - Leichenwagen zur Hölle
oder standen auf dem Boden, versehen mit einem, zwei oder drei Armen.
Es war ziemlich düster in dieser Schänke. Nur die Flammen gaben ihren unruhigen Schein ab. Der Rest des Lichts sickerte durch die freien Stellen der Fenster.
»Du hast mich gesucht, John?«
Die helle Stimme des Jungen riß mich herum. Da stand Robby Dobson plötzlich vor mir. Harmlos lächelnd, die Hände in den Außentaschen seiner dunklen Jacke vergraben.
»Hi«, sagte ich locker.
Er nickte mir zu. »Schön, daß du gekommen bist. Wir haben uns auch viel Mühe gegeben.«
»Das kann ich nur bestätigen!« meldete sich die dritte im Bunde.
Wie durch Zauberei war sie auf der Hälfte der Treppe erschienen und schaute zu uns hinab.
Es war tatsächlich die schwarzhaarige, sehr attraktive Person, die mir schon zweimal über den Weg gelaufen war. Jetzt schaute sie mich an, als würden wir uns schon lange kennen. Den Pelzmantel trug sie nicht mehr. Sie hatte ihn mit einem langen Morgenmantel aus schillerndem Brokatstoff vertauscht, der in Höhe der Taille durch eine Kordel zugeknöpft war, ansonsten aber einen Ausschnitt präsentierte, an dem man einfach nicht vorbeischauen konnte.
Das dunkle Haar floß jetzt länger um ihren Kopf, weil sie es ausgekämmt hatte. Sie stand dort wie eine Königin und war sich ihrer vollerblühten Schönheit sehr bewußt. Nur schade, daß es sich bei ihr um eine gefährliche Giftmischerin handelte, der man drei Morde hatte nachweisen können, die anderen nicht.
»Isabella Montalvo, wenn ich mich nicht irre?«
»Du hast recht, John, das bin ich. In mir vereinigen sich spanischer und englischer Adel.«
»Gratuliere.«
Sie lachte und kam die Treppe herab. Bei jeder ihrer Bewegungen floß der Stoff des Mantels wie glitzerndes Wasser. Sie trug hochhackige Schuhe aus schwarzem Leder.
Ich hatte damit gerechnet, daß sie vor der Treppe stehenbleiben würde, aber sie schritt weiter und direkt auf mich zu. Den Kopf stolz erhoben, blieb sie vor mir stehen und hielt mir den Handrücken zum Kuß hin.
»Sorry, Isabella«, sagte ich. »Aber ich küsse nun mal keine Toten, mögen sie auch noch so hübsch sein.«
»Für mich gilt das gleiche«, erklärte Suko trocken.
Sie lachte uns an. »Nanu? Haben sich die Männer vielleicht verändert?«
»Vielleicht blicken sie heute mehr durch als früher«, erwiderte ich.
»Sie wollen etwas von uns, nicht umgekehrt.«
»Das stimmt.«
Nach diesen Worten nickten die beiden anderen – und lächelten abwartend.
Ich schnickte mit den Fingern. »Bisher haben wir nur Höflichkeiten ausgetauscht. Jetzt möchte ich endlich wissen, woran wir sind. Unterwegs hat man uns schon aufgeklärt, aber nur fast. Also, Isabella, was wollen Sie von uns.«
»Wir haben euch gesucht.«
»Das weiß ich.«
»Ihr sollt uns helfen.«
»Mördern und Verbrechern?« fragte ich und drehte mich dabei auf der Stelle, um jeden anschauen zu können.
»Das war einmal.«
»Und bleibt!« behauptete ich.
»Löscht der Tod nicht alles aus?«
»Seid ihr tot? Zombies sehen anders aus, wir haben damit unsere Erfahrungen sammeln können. Ich sehe das so. Ihr seid gestorben und könnt keine Ruhe finden. Eure Seelen wollte der Teufel in Besitz nehmen, aber jemand anderer stand ihm dabei im Weg. Er wollte euch in sein Reich ziehen – der Spuk.«
»Ja, es stimmt. Du kennst ihn, er kennt dich.«
»Hat er euch von mir erzählt?«
»Er gab uns den Tip.«
»Aha. Und weshalb kümmerte er sich nicht um die Helfer des Teufels? Die Fahrer des Leichenwagens?«
»Das kann er nicht, denn er ist zu schwach.«
Suko und ich lachten beide. »Der Spuk und zu schwach. Das glaubst du doch selbst nicht.«
»In diesem Falle schon. Er ist deshalb so schwach, weil die beiden Gestalten nicht aus dem Reich des Teufels stammen, sondern Abtrünnige aus seiner Welt sind. Sie waren Hüter in der Welt der Schatten, sind aber zu Verrätern geworden. Sie haben sich angepaßt und tragen nicht mehr ihre Lanzen und die Echsenmäntel. Jetzt kämpfen sie für den Höllenfürsten um jede Seele.«
»Aber die existiert nicht mehr bei euch!« rief Suko. »Eure Seele hat man genommen. Mit dem Tod ist sie aus eurem Körper geflohen, das stimmt doch – oder?«
»Ja…«
»Man hat euch begraben. Ihr hättet längst in der Erde liegen und vermodern müssen. Wieso könnt ihr hier so herumlaufen wie ihr es in eurem normalen Leben getan habt?«
»Weil die Entscheidung noch aussteht. Erst wenn die beiden Verräter nicht mehr existieren, haben wir unsere
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