0562 - Mordnacht in Paris
euch. Gute Nacht.«
»Dir auch. Und gib auf dich acht.«
»Mache ich.« Auf der Innenfläche ihrer Hand lag ein dünner Schweißfilm, als sie auflegte. Hatte sie alles richtig gemacht? Ja, John Sinclair, ein alter Pariskenner, mußte sich des Falles annehmen, bevor die einheimische Polizei aufwachte und noch mehr Unheil geschah. Bei einigen Kollegen war John Sinclair bekannt. Nach Paris hatten ihn schon öfter Fälle geführt. In dieser Stadt hatte er lebensgefährliche Abenteuer erlebt.
Lady Sarah ging an die Zimmerbar und holte eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank. Sie trank in kleinen Schlucken, fühlte sich erfrischt, als die Flasche leer war, und legte sich trotzdem angezogen aufs Bett. Nur die Schuhe standen daneben.
Vom Bett aus konnte sie auch fernsehen, doch sie ließ den Kasten aus. Über Paris lag die Dunkelheit. Wenn sie aus dem Fenster schaute, sah sie auf die Fassaden anderer hoher Bauten. Dazwischen stand der dunkle Himmel starr wie eine Leinwand.
In der Schwärze sah sie auch die Positionsleuchten eines Flugzeuges, das die Stadt überquerte, um südlich davon in Orly zu landen.
Ein buckliger Killer, der sich Quasimodo nannte, geisterte durch Montmartre auf der Suche nach Opfern.
Allein diese Tatsache empfand sie schon als ungemein schlimm.
Noch schlimmer war es, daß dieser Mörder den Teufel als großen Beschützer zur Seite stehen hatte.
Das Telefon meldete sich. Obwohl nicht laut, schreckte Lady Sarah doch zusammen, denn sie war für einen Moment eingenickt. Wer konnte das sein? Jemand aus der Reisegruppe?
Eine andere Möglichkeit kam für sie nicht in Frage. »Ja bitte«, sagte sie leise.
»Entschuldigen Sie die Störung, Madame Goldwyn. Sie sind doch Sarah Goldwyn?«
»Das bin ich. Und mit wem habe ich das Vergnügen?«
»Nadine Bresseau.«
»Müßte ich Sie kennen?«
»Ich war der Lockvogel.«
»Ja, natürlich. Jetzt erinnere ich mich wieder. Einer Ihrer Kollegen sprach Sie mit Nadine an. Was kann ich für Sie tun?«
Sie lachte etwas verklemmt. »Wissen Sie, Madame, ich habe über ihre Worte nachgedacht und finde sie im Nachhinein sehr beeindruckend. Kann es tatsächlich sein, daß dieser Bucklige mit anderen Mächten unter einer Decke steckt?«
»Ich gehe davon aus.«
»Hm. Und mit normalen Waffen ist er nicht zu stellen – oder?«
»Nein, Sie müssen ihn schon anders bekämpfen.«
Die junge Frau räusperte sich. »Meine Kollegen denken natürlich anders darüber, wie Sie sicherlich begreifen können. An diesem Abend hat es keinen Sinn mehr, aber ich möchte Sie bitten, falls Sie Zeit haben, morgen zu mir zu kommen. Oder ich komme zu Ihnen.«
»Das wäre mir lieber. Dann könnte ich Ihnen gleichzeitig Monsieur Sinclair vorstellen.«
»Ach, diesen Kollegen aus London?«
»Richtig. Ich habe bereits mit ihm gesprochen. Er wird, wenn es sich eben dienstlich einrichten läßt, am morgigen Tag nach Paris fliegen, und uns unterstützen.«
»Hört sich nicht schlecht an.« Nadine Bresseau legte eine kurze Pause ein. »Ich komme dann zu Ihnen ins Hotel, wenn es recht ist.«
»Einverstanden.«
»Gute Nacht, dann. Und träumen Sie bitte nicht von diesem Killer, Madame Goldwyn.«
»Oh, da hätten Sie eher einen Grund.«
»Ich habe ihn schon vergessen.«
»Seien Sie froh. Gute Nacht dann.« Lady Sarah legte auf. Sie war gespannt, was die folgenden Tage ergeben würden.
***
Auch Nadine Bresseau drückte den Hörer zurück auf den Apparat.
Sie drehte sich um und schaute Serge Adami, ihren Vorgesetzten an, der auf dem Bett hockte und rauchte.
»Na, zufrieden?«
Adami nickte. »Sehr sogar. Ich habe allerdings nicht damit gerechnet, daß die Frau so rasch reagiert und mit ihrem Supermann in London telefoniert.«
»Sie ist eben eine Frau schneller Entschlüsse.«
»Sinclair«, murmelte Adami, »der Name sagt dir nichts, mir allerdings, denn ich habe mich umgehört und erfahren, daß er hier in Paris kein Unbekannter ist.«
»Positiv oder negativ?«
»Nicht negativ. John Sinclair hat schon einige verzwickte Fälle gelöst. Man spricht mit einer gewissen Hochachtung von ihm. Ich habe mich da erkundigt.«
»Hast du auch gesagt, daß er kommen wird?«
»Nein, das habe ich erst jetzt erfahren.« Adami grinste und knetete seine Nase. »Allerdings überlege ich, ob ich es an die große Glocke hängen werde. Ich meine, wir sollten zunächst einmal abwarten, wie sich die Sache noch entwickelt.«
Nadine lachte. »Du hast Angst davor, daß er dir die Schau stehlen
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