0562 - Mordnacht in Paris
könnte.«
»Unsinn.«
»Doch, Serge. Jemand wie du ist verdammt ehrgeizig. Hoffentlich wirkt sich das auf den Fall nicht negativ aus.«
»Okay, Nadine.« Er drückte die Zigarette aus und erhob sich. »Ich verschwinde jetzt. Du sagst mir morgen jedenfalls Bescheid, ob sich etwas ergeben hat.«
»Mach’ ich.« Sie streckte sich. Unter dem flauschigen Pullover zeichneten sich die Hügel ihrer Brüste ab. Auch Serge bemerkte es.
»Du bist verdammt hübsch geworden, Nadine.«
Sie lachte ihn an. »Keine Nachtischgedanken, Kollege!«
»Es war nur eine Feststellung. Das sagt meine Frau auch immer. Sie kennt dich ja schon lange.«
»Wie geht es deinem Jungen?«
Serge hob die Schultern. »Er sagte mir vor kurzem, daß er auch zu den Bullen will.«
»Toll. Dann brauchen wir uns um den Nachschub keine Sorgen zu machen.«
»Nun ja. Als er hörte, wie sein Vater bezahlt wird, hat er davon Abstand genommen.«
»Kann ich mir denken!« prustete Nadine los. »Sag ihm nur nicht, wieviel ich bekomme. Dann verliert er den Glauben an die Menschheit. Wenn meine Eltern mir nicht noch etwas zuschustern würden, könnte ich diese Bude hier nicht bezahlen.«
Serge Adami nickte. »Es ist schon traurig. Die Post darf streiken, wir nicht.«
»Das ist wie bei den Verbrechern, die streiken auch nicht.«
»Alles klar, meine Kleine.« Er strich über ihre linke Wange. »Gib auf dich acht.«
»Mach’ ich, Serge. Au revoir.« Sie brachte den Kollegen noch zur Tür und schaute ihm nach, wie er die schmale Stiege hinabschritt. In diesem alten Haus war alles schmal und eng.
Angefangen bei den Zimmern, über die Fenster bis zur Treppe.
Dafür allerdings stand es auch in Montmartre, dem Herzen von Paris, dem Künstlerviertel, das in den letzten Jahren leider viel von seinem alten Charme verloren hatte. Hier regierte das Geld, die Preise für den Mietraum stiegen permanent, selbst Wohngemeinschaften brachten kaum noch die Miete für Wohnungen zusammen.
Wer in Ruhe malen wollte, der zog besser aufs Land und verwirklichte dort seine Träume. In Montmartre kam er nicht dazu. Über Wasser hielten sich noch am besten die Porträtmaler, die mit schnellen Strichen die Gesichter zahlungswilliger Touristen zu Papier brachten. Und mit Touristen wurde der kleine Stadtteil auf dem Berg überschwemmt. Jeden Tag quälten sich die Busse durch die Straßen.
Das Flurlicht verlöschte. Die Dunkelheit verbarg gnädig die zahlreichen Flecken an den Flurwänden und auch die Löcher im Putz.
Hier hätte renoviert werden müssen, aber die Hausbesitzer ließen alles verkommen.
Nadine schloß die Tür. Sie hatte mit ihrer Wohnung noch Glück gehabt. Zwei Zimmer und ein winziges Bad gehörten dazu. Die Zimmer waren keine Tanzsäle, für eine Person reichten sie. Vom Wohn-Schlafraum aus konnte sie auf das schräge Dach eines Anbaus schauen. Es war später hochgezogen worden und beherbergte, eine Maler-WG.
Sie ging in die Küche. Der Raum war schmal, dafür etwas länger.
An einer Seite standen der Kocher, Kühlschrank, die kleine Waschmaschine. Nadine spürte Hunger. Die Anspannung und Aufregung hatten sich gelegt, jetzt brauchte sie etwas für den Magen.
Sie wärmte im Mikrowellenherd eine Fleischsuppe auf, setzte sich vor das Brett, so nannte sie den Tisch, der die Verlängerung der inneren Fensterbank bildete, und löffelte die Schale leer. Dabei aß sie Weißbrot. Obwohl sie gegen die Scheibe schaute, waren ihre Gedanken ganz woanders. Sie dachte an den Killer, der von zahlreichen Geschossen getroffen worden war und trotzdem hatte entwischen können.
Das wollte ihr nicht in den Kopf. Aber sie hatte auch das Feuer gesehen, in dem er schwebte. Es hatte ihn wie eine Schutzhülle umgeben und das Gesicht des Teufels gezeigt.
Der Teufel also.
Nadine schüttelte den Kopf. Es war nicht zu begreifen. Der Satan mischte mit. Daß dies so war, ließ darauf schließen, daß es ihn tatsächlich gab. Er lebte, er existierte und zeigte sich zu bestimmten Anlässen. Eigentlich verrückt.
Sie schaute wieder durch das schmale Fenster. Viel Licht fiel auch im Sommer nicht durch die Scheibe. Der Hinterhof war durch den Neubau noch enger gemacht worden. Dieser Bau hatte ihr einen Großteil der Helligkeit genommen.
Die Schüssel leerte sie nicht ganz. Nadine stellte sie weg und spülte sie gleich durch. Dann fegte sie die Krümel vom Tisch, legte eine Decke darauf, schaute wieder zum Fenster, eigentlich nur ein Routineblick, wie so oft.
Sie erstarrte.
Vor der Scheibe
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