0562 - Mordnacht in Paris
gebückt durch die Lücke zweier Steine, sah einen Baumstamm vor sich und drückte sich auch um ihn herum.
Die nächsten beiden Schritte hätten sie auf den Weg bringen können. So weit ging sie nicht.
Sarah Goldwyn duckte sich. Sie hatte das Glück, daß ihre Sicht nicht durch störende Äste behindert wurde. Durch ein genügend großes Loch konnte sie schauen und sah auch den Weg.
Noch war er leer…
Stille umgab die unmittelbare Umgebung. Nichts rührte sich, bis sie die Schritte hörte.
Von rechts kam jemand.
Das mußte der Lockvogel sein. Er ging nicht einmal zögernd, sondern ziemlich forsch. Einmal blieb die Frau noch stehen, um ihr Gesicht in die Blüten zu drücken.
Wo lauerte der Killer?
Sosehr Lady Sarah sich auch anstrengte, er zeigte sich nicht, und sie hörte auch nichts. Nur die Schritte des Opfers warfen knirschende Geräusche in die Stille.
Die Frau spielte ihren Part ausgezeichnet. Sie ging sehr locker daher, überhaupt nicht steif oder ängstlich. Das Gesicht konnte Lady Sarah nicht erkennen, da die einsame Spaziergängerin den Kragen ihres hellen Mantels hochgestellt hatte.
Der Mörder mußte an der gegenüberliegenden Wegseite erscheinen. Für Sarah gab es keine andere Erklärung. Sie tastete mit ihren Blicken die leeren Flächen zwischen den Bäumen ab, ohne allerdings eine Bewegung erkennen zu können.
Dann ging alles blitzschnell.
Aus dem Unterholz löste sich ein Schatten, noch bevor der Lockvogel die gleiche Höhe erreicht hatte.
Der Schatten huschte auf die Blonde zu. In der Hand hielt er – das war ziemlich deutlich zu sehen – eine perfekt geknüpfte Henkersschlinge, sein Mordinstrument.
Die Blonde schrie.
Ein Zeichen.
Von zwei Seiten gleichzeitig und versteckt in den Büschen flammten die Scheinwerfer auf, rissen die Gestalt des Buckligen aus der Dunkelheit und nagelten sie förmlich fest.
»Stehenbleiben!«
Die Stimme des Polizisten überschlug sich.
Nur dachte der Killer nicht daran. Er hechtete auf die Blonde zu, um ihr die Schlinge über den Kopf zu streifen.
Da fielen die Schüsse!
***
Das Rattern mehrerer Schnellfeuergewehre durchbrach die Stille der Nacht. Ein mörderisches Stakkato hallte über den einsamen Friedhof. Kugeleinschläge tanzten über den schmalen Weg und näherten sich mit rasender Geschwindigkeit dem Killer.
Sie holten ihn von den Beinen. Der Killer wurde herumgeworfen, noch bevor er sein Opfer erreichen konnte. Er kippte nach links weg, drehte sich dabei und war im grellen Licht der Scheinwerfer undeutlich zu erkennen. Der Buckel, das graubleiche Gesicht, die aufgerissenen Augen, die Einschläge der Geschosse, das Blut, dies alles wirkte wie eine makabre Theatervorstellung.
Dann fiel er zu Boden.
Es war der Fall, der ein Aufstehen ausschloß. Das absolute, das endgültige Aus.
Auch die Schüsse waren verstummt. Letzte Echos verklangen zwischen den Bäumen. Der blonde Lockvogel stand im Scheinwerferlicht wie eine Statue.
»Gut gemacht, Nadine, bravo!«
Erst die Stimme des Einsatzleiters erlöste die junge Polizistin. Sie drehte sich um und schlug die Hände vor ihr Gesicht. Die Nervenanspannung löste sich mit dieser Geste.
Fünf männliche, bewaffnete Beamte zählte Lady Sarah. Von verschiedenen Seiten näherten sie sich dem breiten Scheinwerferkegel.
Einer kümmerte sich um die Kollegin. Die anderen umstanden den Getroffenen, sprachen miteinander. Jemand lachte, und der Einsatzleiter holte sein Sprechfunkgerät hervor, um die Meldung an die Zentrale durchzugeben.
Sie hatten einen Sieg errungen und den Killer gestellt. Dunst wogte durch das Licht und bekam einen bläulichen Glanz. Auch Lady Sarah wollte ihren Platz verlassen, als ihr etwas auffiel, was den Polizisten, die sich nicht mehr um den Toten kümmerten, entgangen sein mußte.
Der Bucklige hatte sich bewegt.
Noch vor Sekunden war sein rechtes Bein angewinkelt gewesen, jetzt lag es ausgestreckt da, die Hacke leicht gegen den Boden gestemmt, als wollte er sich abstützen.
Lebte der Mann noch?
Das konnte sich auch Lady Sarah kaum vorstellen. Schließlich war er von zahlreichen Kugeln getroffen worden. Das konnte einfach niemand überleben.
Es sei denn…
Lady Sarah dachte nicht mehr weiter, weil sich einen Lidschlag später ihr Verdacht auf fürchterliche Art und Weise bewahrheitete.
Wie ein Kastenteufel sprang der Bucklige auf, lachte grausam und hallend, wobei er auf zwei Beamten zurannte und sie rücksichtslos zur Seite stieß, damit er freie Bahn hatte…
***
Die
Weitere Kostenlose Bücher