0564 - Die Gräber seiner Ahnen
gewesen.
»Und?«
Ich schnalzte mit der Zunge. »Das ist herrlich, Sarah. Wirklich super, stark.«
»Das meine ich doch.«
»Seit wann kennst du dich bei diesen edlen Getränken dermaßen gut aus?«
Sie lachte. »Du weißt eben sehr wenig von mir, John. Dir fehlt noch die Weisheit des Alters. Aber sie wird irgendwann kommen, keine Sorge, mein Junge.«
»Das glaube ich auch.« Die Tür stand offen. Von der Küche her zog der Bratenduft der Festtagsgans durch den Flur und hinein in den Wohnraum. Lady Sarah bereitete den Gänsebraten nach einem alten deutschen Rezept zu. Bisher hatten wir noch nie Gans bei ihr gegessen, sie stets nur von diesem Gericht schwärmen hören.
Zur Gans servierte sie Klöße, Rotkohl und Maronen. Wenn man das gegessen hatte, war man mehr als satt.
Ich nuckelte an meinem Whisky, saugte ab und zu an der Zigarette und fühlte mich entspannt. Suko und ich waren schon ziemlich früh am Abend eingetroffen, so wollten wir die Zeit bis in den frühen Morgen hinein genießen können.
Noch immer rieselte die Weihnachtsmusik aus den Boxen. Ich schielte zur Uhr.
Um neunzehn Uhr sollte es das Essen geben, doch daraus wurde nichts, denn Glenda kam und bat uns bereits fünf Minuten früher zu Tisch.
»Kann ich mein Glas noch leertrinken?«
»Klar.« Sie lächelte. »Wenn dir der Rotwein dann noch schmeckt, den es zur Gans gibt.«
»Oh…«
Lady Sarah und Suko waren schön aufgestanden. Die Horror-Oma hängte sich bei meinem Freund ein. »Es wäre wirklich schade, wenn wir auf dich warten müßten, John.«
»Keine Sorge, ich komme schon.« Der letzte Schluck, die Zigarette ausgedrückt, dann ging ich hinter den beiden her.
Ich kam mir vor, als würde ich schweben. Und das von einem Glas Champagner und einem Schluck Whisky. Manchmal hat man wirklich Tage, wo man nichts vertragen kann.
Möglicherweise lag es auch an der gesamten Stimmung, daß ich mich derart locker fühlte.
Wir aßen nicht in der Küche. Im Eßzimmer war gedeckt worden.
Und wie, ich konnte da nur staunen. Jane und Glenda hatten tief in ihre Trickkiste gegriffen, um einen Eßtisch zu dekorieren, den kein Profi hätte besser gestalten können.
Es paßte alles zusammen. Die Decke, die Tannenstreifen, das festliche Gold an den Rändern, die Kerzen, deren warmer Schein über den Tisch floß, einfach ideal.
Und natürlich die Gans!
Herrlich duftend und knusprig gebraten stand sie auf einem kleinen Beistelltisch. Sie nahm fast die gesamte Länge des Holzbretts ein, duftete derart, daß uns das Wasser im Mund zusammenlief. Der Rotkohl dampfte ebenso in der Schüssel, wie die Maronen oder die Klöße. Das sah nach einem Festessen aus.
Glenda schenkte den Roten ein, während sich Jane um die Gans kümmerte und sie gekonnt zerteilte.
Suko und ich bekamen jeder einen der Flügel, beschwerten uns zwar, daß es viel zuviel wäre, waren aber dennoch froh, von dem leckeren Fleisch essen zu können.
Ich sprach noch einen Toast, dann stillten wir den Hunger.
Es wurde ein langes Essen, denn Lady Sarah sprach noch von einem herrlichen Nachtisch. Karamelisierte Kirschen in Rotwein und Vanilleeis dazu.
Gegen 21 Uhr – ich hatte meine Hose schon etwas geöffnet und den Gürtel weiter gestellt, wischte ich mir den Schweiß von der Stirn, lehnte mich zurück und stöhnte: »Freunde, ich bin erledigt. Ich kann einfach nicht mehr. Das war ein Hammer.«
»Ich hätte noch vom Dessert…«
»Nein, Sarah, nein. Um Himmels willen, sonst platze ich noch! Tut mir leid.«
»Vielleicht später. Etwas zur Verdauung?«
»Was denn?« fragte ich.
Die Horror-Oma lächelte und zwinkerte Jane Collins zu. »Du weißt ja, wo er steht.«
»Genau.«
Jane kam zurück und trug eine Grappa-Flasche auf dem kleinen Tablett. Der Verdauungsschnaps gehörte zu der besseren Sorte. Er schimmerte so gelb wie dickes Öl.
Die entsprechenden Gläser waren auch vorhanden, und Suko bekam ebenfalls einen Schluck. Er protestierte auch nicht dagegen.
»Davon kann man nur einen trinken«, erklärte Sarah. »Der ist wie Medizin, auch wenn er fast fünfzig Prozent hat.«
»So viel?«
»Dafür räumt er deinen Magen auf.«
»Wollten wir nicht noch in die Kirche?« fragte Glenda.
Sarah winkte ab. »Bis Mitternacht haben wir noch genügend Zeit, Freunde.« Sie hob ihr Glas. »Trinken wir darauf, daß wir auch im nächsten Jahr dieses Fest gemeinsam feiern können.«
Damit waren wir alle einverstanden.
O verflixt, der Grappa hatte es in sich. Der schmeckte wie
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