0566 - Hexenreich
wischte seine Lippen ab und schaute über den Bach hinweg. Hohes Strauchwerk wuchs wie eine dichte Wand. Die gummiartigen Blätter schienen mit ihren Stengeln und sich selbst ineinander verschlungen zu sein. Es gab keine Lücke, durch die er schauen konnte. Wenn sie weitergingen, mußten sie einen Weg finden, um den Buschgürtel zu umgehen.
Er drehte sich um.
Jane Collins war aufgestanden. Sie hatte sich in einer Haltung aufgebaut, die ihm gar nicht gefiel.
»Was ist los, Jane?«
»Ich weiß es nicht!« flüsterte sie. »Etwas ist anders. Ich höre keine Vogelstimmen mehr.« Sie deutete einen Halbkreis an. »Schau dir die Insekten an. Sie fühlten sich gestört. Wir haben sie lange genug auf unserem Weg hierher beobachten können. Irgend etwas ist mit ihnen geschehen, Bill.«
In der Tat sah Bill Conolly, daß sich die Insekten seltsam benahmen. Die herrlich gefärbten Schmetterlinge flatterten zwar noch, aber ihre Wege wirkten anders als sonst. Sie suchten sich auch keine Blüten aus, auf die sie sich niederlassen konnten, sondern zirkelten über den Blättern der Sträucher hinweg.
»Gefahr?« fragte Bill.
Jane nickte nur.
»Wo?«
»Ich kann sie nicht lokalisieren. Ich spüre nur, daß sich uns etwas nähert. Das ist es.«
»Man hört nichts.«
»Leider«, sagte Jane. »Jedenfalls sollten wir an diesem Ort nicht mehr länger bleiben.«
»Ich bin einverstanden.« Den Buschgürtel im Auge behaltend, schritt Bill auf die Detektivin zu. Dennoch wurden sie beide von den Ereignissen überrascht.
Wo sie auch hinschauten, bewegte sich der grüne Gürtel. Darin oder dahinter hatten diejenigen gelauert, die das Gebiet besetzen wollten und Tod und Verderben brachten.
Dacs!
Sie heulte und schrien nicht, als sie angriffen. Flach hechtend und pfeilartig schossen sie aus ihren Deckungen. Bill konnte sie nicht zählen, er und Jane sahen nur die verzerrten Gesichter unter den helmartigen Kappen und die waffenschwingenden Arme.
Keulen und Lanzen wurden von starken Fäusten umklammert.
Ölig glänzende Körper wirkten wie kompakte Steine, in die Leben gekommen war. Bemalte Gesichter, haßglänzende Augen, aufgerissene Mäuler, so stürzten sie sich auf die beiden.
Bill und Jane konnten nichts tun. Der Reporter warf sich zu Boden, die Arme als Deckung hochgerissen, um den mörderischen Schlägen zu entgehen.
Jane stand noch länger auf den Beinen. Sie versuchte verzweifelt, ihre weißmagischen Kräfte gegen die Horde der Barbaren einzusetzen und sie dadurch zu stoppen.
Es gelang ihr nicht. Sie spürte zwar die stromartigen Stöße durch ihren Körper jagen, nur gelang ihr keine Abwehr. Etwas Hartes klatschte gegen die vorgestreckten Arme und wischte sie mit einer fast lächerlichen Bewegung zur Seite.
Mehr sah sie nicht.
Ihr Blickfeld wurde von den massigen Körpern eingenommen, die über ihr zusammenbrachen und sie hart gegen den Boden preßten.
Jane nahm noch den Geruch der Barbaren war, ein schwefelhaltiger, scharfer Gestank, dann raste etwas Dunkles auf sie zu, daß sie in einen tiefen Tunnel riß, nachdem es an ihrer Stirn detoniert war.
Das gleiche war auch mit Bill geschehen. Beide lagen leblos im Gras, und beide sahen nicht, wie über dem Rand des Gebüsches eine Gestalt hochwuchs, die auf einem weißen Hirsch saß und deren Mund zu einem kalten Lächeln verzogen war…
***
Hinter Sukos BMW war noch genügend Platz, so daß ich meinen Rover abstellen konnte.
Noch knapp eine halbe Stunde bis zur Tageswende, so spät war es, als ich den Wagen verließ.
Der Himmel hatte sich auch jetzt nicht verändert. Nach wie vor zeigte er seine blasse, übernatürliche Farbe, dennoch dunkel, von einem schwarzen Blau.
Dazwischen die Sterne, sehr weit weg, trotzdem irgendwie zum Greifen nahe.
Meine Rückenhaut spannte sich, als ich durch den Vorgarten schritt. Die Tür brauchte ich nicht zu öffnen, Suko und Lady Sarah hatten mich gesehen und zogen sie auf.
Mein Freund stand auf der Schwelle. »Ich wollte schon eine Vermißtenanzeige aufgeben«, begrüßte er mich. »Was ist denn los? Wo warst du?«
Ich winkte ab. »Erzähle ich dir gleich.«
»Okay.«
Im Flur zog ich meine Jacke aus und stellte auch den Gral zur Seite. Lady Sarah war ebenfalls erschienen. Sie und Suko schauten verwundert auf diesen kostbaren Gegenstand.
»Weshalb hast du ihn mitgebracht?« fragte die Horror-Oma.
»Das erkläre ich euch später.«
»Warte, ich gebe dir einen Tee.« Sie schaute mich an und schüttelte den Kopf. »Du bist ja
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