0566 - Odins Zauber
Nacktheit provozieren wollte, so wie sie sich gestern von ihm provoziert gefühlt hatte.
Aber jetzt hatte sie doch nicht den Mut, sich so frei und unbefangen vor ihm zu bewegen, wie er es getan hatte.
»Geh hinaus«, sagte sie. »Ich muß mir etwas anziehen.«
Er lächelte verstehend, trat aber zunächst auf sie zu.
Während sie versuchte, die Decke noch fester um sich zu ziehen, küßte er ihre Stirn, dann erst verließ er das Zimmer und schloß die Tür hinter sich.
Hastig schlüpfte sie in ihre Jeans und einen Pullover, raffte alles weitere zusammen und huschte über den Flur zum Bad. Ein paar Minuten später tauchte sie vollständig angekleidet wieder auf.
Er hatte das Frühstück in der Küche gerichtet. Ein paar erlesene Köstlichkeiten, die er ganz bestimmt nicht in der hiesigen Speisekammer gefunden hatte.
»Wo hast du das her?« fragte sie.
»Gekauft. Ganz legal erworben. Lang zu und mach dir keine Gedanken.«
Sie setzte sich.
Es tat gut, einmal etwas verwöhnt zu werden.
»Es ist lieb von dir, daß du gekommen bist«, sagte sie.
»Ich halte immer, was ich verspreche«, erwiderte er. »Und ich versuche zuverlässig zu sein, auch wenn dein Bruder mir das Gegenteil nachsagt. Wie kann ich helfen? Und wo ist Yves?«
»Fort. Ich weiß nicht, wohin er gegangen ist.«
»Wenn er die Regenbogenblumen benutzt hat, kann ich ihn finden«, sagte Julian. »Ich verspreche dir, ich werde auf ihn aufpassen und zusehen, daß er keine Dummheiten anstellt.«
»Ich habe Angst, daß er zuviel riskiert und daß ihm dabei etwas zustößt. Lucifuge Rofocale… er ist mächtig. Und er ist furchtbar. Und er ist viel zu stark für Yves. Außerdem… damals, als er Maurice getötet hat, hatte ich den Eindruck, daß er den Verstand verloren hat. Er muß wahnsinnig sein.«
»Das ist er jetzt nicht mehr«, sagte Julian ruhig.
»Woher willst du das wissen?«
»Ich weiß eine ganze Menge. Zum Beispiel, daß dein Bruder vor ein paar Tagen bereits einen Dämon getötet hat. Lucifuge Rofocale ist noch… sagen wir mal, etwas krank, aber der Wahnsinn hat ihn verlassen. Es waren die Amulette, die ihm das klare Denkvermögen raubten. Ihre Magie machte ihn süchtig, und er brachte zu viele von ihnen in seinen Besitz, das konnte sein Geist nicht verkraften. Jetzt hat er kein Amulett mehr, und deshalb normalisiert sich sein Zustand wieder.«
»Was sagtest du eben? Yves hat einen Dämon getötet?«
Julian nickte. »Er hatte sogar ziemlich leichtes Spiel. Dieses Amulett, das er besitzt, ist enorm stark und nat die Sache fast allein erledigt. Yves kann inzwischen schon leidlich gut mit der Silberscheibe umgehen.«
»Das macht mir nur noch mehr Angst«, sagte Angeiique leise. »Julian, ich will ihn nicht auch noch verlieren. Maurice ist tot, Sam ist tot. Es muß aufhören, hörst du? Das Sterben muß aufhören!«
»Ich werde tun, was ich kann«, erwiderte der Träumer.
***
Zamorra jagte den marineblauen Cadillac Seville über den Highway. Sicher hätte es auch ein kleinerer Wagen getan, und am liebsten wäre ihm sogar ein Geländefahrzeug gewesen. Aber wenn er vom Fuhrparkleiter der Tendyke Industries als VIP eingestuft wurde - als very important person - und man ihm deshalb ein Luxusauto zur Verfügung stellte, sah er keinen Grund, sich zu beklagen. Den Freund des Firmeneigners speiste man eben nicht mit einem Billigwagen ab.
Neben Zamorra, dicht über dem Beifahrersitz, flatterten gleich drei der bunten Schmetterlinge. Jetzt sah er die wunderschönen Falter nicht nur, wenn er die Augen schloß, sondern ständig.
Wie die Schmetterlinge ins Auto gekommen waren, konnte er nicht sagen, es interessierte ihn auch nicht weiter. Sie waren eben da, und hin und wieder sah er zu ihnen herüber und genoß die Farbenpracht ihrer Flügel.
Durch ihre Gesellschaft war die Fahrt nicht so einsam und langweilig.
Er hatte… Gesprächspartner !
Sie signalisierten ihm plötzlich, er solle langsamer werden und am Straßenrand halten.
»He«, grinste er, »das ist aber verboten! An Fernstraßen darf außerhalb von Ortschaften nicht geparkt werden, außer man hat eine Panne! - Ja, schon gut, euch interessiert das natürlich nicht.«
Er brachte den Cadillac zum Stehen und stieg aus.
Die bunten Schmetterlinge umschwirrten ihn, aber es war ihm nicht lästig, daß sie ständig vor seiner Nase herumtanzten. Er fragte auch nicht danach, daß es plötzlich nicht mehr nur jene drei waren, die ihn vom Flughafen her begleitet hatten, sondern schon viel
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