0568 - Die Braut des Wahnsinns
hypnotischen Ausdruck, der bis hinein in ihre Seele stach.
»Es folgt das alte Ritual, das ich aus meiner Heimat Rumänien mitgebracht habe. Auch dort wurden gewisse Hochzeiten so gefeiert, wie wir es tun werden. Sieh die Schale, Wendy!«
»Ja, ich sehe sie.«
»Ihr Inhalt, meine Liebe, wird unseren gemeinsamen Bund besiegeln. Sie ist ungemein wichtig, denn in ihr befindet sich ein Erbe aus meiner alten Heimat. Kannst du dir denken, um was es sich dabei handelt?«
Wendy nickte zögernd.
»Dann sag es!« forderte er.
»Blut?« flüsterte sie. »Kann es sich dabei um Blut handeln? Oder habe ich unrecht?«
»Nein, Wendy, nein. Es handelt sich um Blut. Aber um ein besonderes Blut. Um das Blut eines alten Dämons, eines Blutsaugers, eines Vampirs, dem ältesten aller Dämonen. Irgendwo sind sie alle Vampire, verstehst du? Du wirst es nach mir trinken, und ich werde dir sagen, daß dieses Blut der alten Rasse dein Leben verändern wird. Wehre dich nie dagegen, versuche es nicht, sonst wird genau das Gegenteil eintreten und das Blut zu deinem Feind werden, der dich radikal zerstört.«
Sie hob die Schultern. »Das… das verstehe ich nicht!« flüsterte sie.
»Was soll zerstört werden?«
»Du!« sagte er zischend. »Dein Kopf, dein Schädel! Die Gedanken derjenigen, die sich nicht voll auf die alte Rasse konzentrieren, wurden geschaffen, um vernichtet zu werden. Erst vor kurzem hat jemand so reagiert. Er mußte sterben. Es war eine Frau, deren Kopf zerplatzte. Noch hier geschah dies, denn sie ekelte sich plötzlich.«
»Ich werde es nicht tun.«
»Das möchte ich dir in deinem eigenen Interesse auch geraten haben. Wer mit mir den Bund eingeht, ist zu Höherem berufen, denn er wird der Wegbereiter für das kalte Grauen sein. Du wirst die Ehre haben, an den Vorbereitungen teilnehmen zu dürfen, denn es ist beschlossen worden, daß die Bluttrinker die Regie übernehmen.« Er lachte leise!
Er umfaßte die Schale mit beiden Handflächen. Sie zitterten nicht, die Oberfläche blieb ruhig und warf auch keine einzige Welle, als er die Schale anhob.
Über den Rand hinweg schaute Simon seine Braut an. Sein Blick sezierte sie regelrecht, als wollte er herausfinden, ob sie auch tatsächlich zu ihm stand.
Wendy rührte sich nicht. Sie schaute zu, wie der Mann vor ihr die Schale immer höher hob und sie langsam zum Mund führte.
Das war der Zeitpunkt für die Hochzeitsgäste, um mit ihrem schaurigen Choral zu beginnen.
Sie begannen gedämpft. Ein tiefes Summen dröhnte aus ihren halbgeöffneten Mündern. Die Gesichter blieben bei diesem Gesang starr und blaß oder vom Schein des flackernden Kerzenlichts umflossen, das Muster auf ihre Haut malte.
Wendy Wilde gelang es nicht, den Blick vom Gesicht ihres Bräutigams zu nehmen, dessen gesamter Anblick verschwand, weil ihn die Schale verdeckte.
»Jetzt schau genau hin!« flüsterte er ihr entgegen, bevor er den Rand an die Lippen setzte.
Noch zögerte er, dann kippte er die Schale seinem Mund entgegen, öffnete ihn ein wenig und trank.
Im gleichen Augenblick verstummte der Gesang. Stille breitete sich wieder aus. Selbst die sechs Ratten rührten sich nicht. In die Stille hinein klangen die Geräusche, die Simon Arisis produzierte, doppelt so laut wie normal. Er trank schmatzend!
Simon Arisis hatte vom alten Blut gesprochen. Das schmeckte ihm ausgezeichnet, wie zu sehen und zu hören war.
Er trank, schlürfte, verdrehte dabei die Augen und gab zwischendurch wohlig klingende und auch zufriedene Laute ab.
Das Auge der Kamera war auf ihn allein gerichtet. Er glotzte ihn starr an.
Gunhilla von Draben bewegte sich nicht. Sie erinnerte in ihrem wallenden graublonden Haar an eine Göttin.
Es sah so aus, als könnte sich Simon nicht mehr von der Blutschale trennen, die er immer schräger hielt, um noch mehr von dieser zähen, sirupartigen Flüssigkeit in sich hineinzukippen, aber er hielt sein Versprechen.
Plötzlich setzte er die Schale ab. Wendy folgte dem Gefäß mit den Blicken. Es war noch halbvoll.
»Der Rest, meine Liebe, ist für dich!« sagte er in einem rauhen Tonfall und leckte dabei die letzten Tropfen von den Lippen. Noch hielt er die Schale fest, streckte die Arme vor und reichte das Gefäß, über die Körper der Ratten hinweg, Wendy entgegen.
Sie nahm sie an sich. Wendy hatte Mühe, das Zittern ihrer Finger zu unterdrücken. Sie schaute gegen den Spiegel der zähen Flüssigkeit und sah die dünnen Dampfschleier, die an den inneren Rändern der braunen
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