0568 - Die Braut des Wahnsinns
Gehsteige entlang.
Suko leuchtete mit der Lampe über den steinernen Steg hinweg, sah ihn an einigen Stellen aufgerissen, wobei das schmutzige Wasser in die entsprechenden Löcher hineingurgeln konnte.
Die Stadt hatte sich in der letzten Zeit entschlossen, gegen diesen Verfall etwas zu tun. Es mußten ungeheure Mittel bereitgestellt werden, um die Ausbesserungen beginnen zu lassen. Suko sah mit den eigenen Augen, daß es vonnöten war.
Wenn er ging, mußte er achtgeben, daß er nicht wegrutschte. Der schmale Steg war feucht und glitschig.
Die Gangwand lag rechts von ihm. Er ließ die Lampe eingeschaltet, deren zitternder Strahl ihm den weiteren Weg zeigte, allerdings noch nicht die Tür traf, auf die es ihm ankam.
Suko rechnete nach und kam zu dem Entschluß, daß er sich in dieser Unterwelt wieder zurückbewegte. Er schritt praktisch dorthin, woher er auch gekommen war.
Aber der Kanal geriet in eine leichte Linkskurve. Im Scheitelpunkt der Kurve zweigte nach rechts hin ein finsterer Stollen ab, aus dem ein erbärmlicher Geruch drang.
Suko mußte dem Hauptlauf folgen, leuchtete jedoch kurz in den Stollen hinein – und sah die ersten Ratten.
Die widerlich fetten und feucht glänzenden Tiere hockten im Schlamm. Als der Lichtstrahl sie traf, verschwanden sie huschend.
Einige liefen auch auf Suko zu, an ihm vorbei und hechteten in die dreckige, brodelnde Fäkalienbrühe.
Suko ließ die Tiere laufen. Auch Ratten hatten eine Existenzberechtigung, mochten Menschen sich auch noch so sehr vor ihnen ekeln.
Sein weiterer Weg führte ihn in die Kurve hinein. An das Rauschen hatte er sich gewöhnt, sogar an den Gestank. Zudem ging er davon aus, daß er es nicht mehr weit bis zu seinem Ziel hatte.
Nischen zerschnitten die Wände. Ab und zu entdeckte Suko einen Ausstieg in die Oberwelt, aber keine Tür. Die sah er Minuten später, als er in eine breitere Mulde leuchtete.
Das mußte sie sein!
So hoch wie ein Mensch. Er konnte, wenn er wollte, normal hindurchschreiten, zögerte aber noch, weil er zunächst hören wollte, was sich hinter der Tür tat.
Suko ging in die Hocke. Er drückte den Kopf so weit vor, daß er sein Ohr gegen die Tür pressen konnte.
Zu hören war nichts.
Das Geräusch des schnell fließenden Abwassers übertönte alle anderen Laute.
Er richtete sich wieder auf. Schon beim ersten Hinsehen hatte er die Klinke entdeckt. Auch sie glänzte feucht und war irgendwie schmierig.
Er wollte die Tür öffnen. Ruckartig, schnell, um anschließend in die Kapelle hineinzustürmen.
Dazu kam es nicht mehr.
Die Klinke hatte bereits ihren Druckpunkt erreicht, als jemand die Tür von innen mit einer derartigen Wucht aufhämmerte, daß selbst Suko überrascht wurde.
Er hatte Glück, daß ihm das harte Türblatt nicht gegen den Schädel knallte.
Trotzdem flog er zurück und genau auf den verdammten Kanal zu, dessen Rand so rutschig war, als hätte ihn jemand mit Schmierseife eingestrichen.
Da verlor auch Suko den Halt. Rücklings klatschte er in die widerlich stinkende Brühe…
***
Auf diesen Weg hatte sich Wendy Wilde so lange gefreut. Endlich würde sie ihren Simon heiraten können. Sie bebte vor Erwartung und zitterte auch dann, als sie dicht vor dem viereckigen Stein stehenblieb, den Kopf anhob, um Simon anblicken zu können.
Der lächelte ihr zu.
Ein normal denkender Mensch hatte dieses Lächeln als teuflisch und triumphierend bezeichnet, nicht so Wendy, die Braut. Für sie verhieß das Lächeln Glück ohne Ende, und sie nickte ihm zu.
Im Hintergrund standen die anderen Hochzeitsgäste schweigend.
Einige von ihnen kannte Wendy. Sie gehörten zu den Kunden des Instituts und waren ebenfalls in den Bann des höllischen Paares geraten.
Sie schauten stumm und starr zu. Vielleicht dachten sie daran, daß es auch ihnen ähnlich ergehen würde, wenn sie den Mann fürs Leben heirateten.
Als Simon sprach, übertönte seine Stimme das Surren der Video-Kamera. »Die große Stunde ist gekommen«, sagte er mit ruhig klingender Stimme. »Du hast lange darauf warten müssen, Wendy, doch jetzt kann uns nichts mehr davon abhalten, den Bund einzugehen.« Er strich über die Körper seiner Ratten. »Diese Tiere«, so fuhr er fort. »Werden dich in Zukunft begleiten. Die Ratten sind das lebendige Omen für die Zeiten des Bösen, für den Verfall. Und auch du wirst so denken, wenn du erst meine Frau bist.«
Sie nickte. Ihren Blick konnte sie nicht von den Augen ihres Bräutigams lösen. Sie besaßen einen
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