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057 - Das Gespensterschloß

057 - Das Gespensterschloß

Titel: 057 - Das Gespensterschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Randa
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angelangt, bleiben sie verblüfft und wie angenagelt stehen.
    Aus dem andern Zimmer, dem ihrigen, tritt ein junges Mädchen, das eine erstaunte Bewegung macht, als es sie erblickt. Es mag achtzehn Jahre alt sein, nach den grazilen Formen ihres Körpers zu urteilen, denn das Gesicht ist im Dunkeln nicht zu erkennen.
    „Woher kommen Sie?“
    „Mein Gott“, sagt Bernard, „das gleiche möchte ich Sie fragen.“
    „Ich heiße Djalli.“
    Sie kommt zwei Schritte näher, und das Licht des Leuchters, der in der Mitte des Gangs steht, trifft ihr Gesicht. Es ist das der Toten, die sie im Sarg liegen sahen. Marthe vermag nicht einmal zu schreien, fassungslos starrt sie die Erscheinung an.
    „Sie … Sie …“, stammelt sie.
    Bernard will sie zurückhalten, aber sie reißt sich los und läuft, so schnell ihre Füße sie tragen, durch den Gang, wie Simone es tat, nur in der entgegengesetzten Richtung.
    „Lassen Sie sie“, sagt Djalli, „sie kommt nicht weit, die Hunde laufen frei herum.“
    „Die Hunde?“
    „Sie werden ihr nichts tun, seien Sie unbesorgt. Warum ist sie verängstigt?“
    „Warum?“
    Bernard steht wie erstarrt da, unfähig, sich zu rühren, festgehalten von einer geheimnisvollen Kraft, von der Angst, von etwas wie dem Bedürfnis, sich an irgendeine Gewißheit zu klammern, um nicht überzuschnappen.
    „Hören Sie mal“, sagt er, „sind Sie vielleicht auch verrückt?“
    „Verrückt? Warum meinen Sie, ich könnte verrückt sein?“
    „Kommen Sie mit mir hier herein.“
    Er deutet auf das Zimmer hinter ihm.
    „Das ist mein Zimmer.“
    „Ihr Zimmer? Aber eine Art Geistesgestörter hat es meinen Freunden angewiesen.“
    „Mein Vater, vermutlich. Er muß geglaubt haben, ich käme nicht wieder.“
    Sie folgt ihm ins Zimmer. Der Sarg beeindruckt sie nicht, sie schaut ihn an, als sei er einer der Gegenstände, die zur üblichen Ausstattung eines Jungmädchenzimmers gehören.
    Bernard beobachtet sie. Seine Zigarette ist ausgegangen, mechanisch geht er zu einem der Leuchter, um sie wieder anzuzünden.
    „Gilbert Derais ist Ihr Vater?“
    „Nicht Gilbert, Tristan.“
    Jetzt, da seine Zigarette wieder brennt, fühlt Bernard sich wohler. In gewissem Sinn hält er es für besser, allein mit Djalli zu reden. Warum? Marthes Verschwinden beunruhigt ihn gar nicht, noch das von Jacques und Simone. Es gehört zu einem Szenarium, dem er sich fortan mit allen Mitteln zu entziehen gedenkt.
    „Schauen Sie sich diesen Sarg an.“
    „Ja.“
    „Schockiert er Sie nicht in Ihrem Zimmer?“
    „Für gewöhnlich steht er unterm Bett. Ich werde Wilhelm rufen, damit er ihn wieder an seinen Platz rückt.“
    Bernard möchte sich über nichts mehr wundern, er muß alles hinnehmen, wenn er eine Lösung finden will, eine Möglichkeit, sich aus der Affäre zu ziehen.
    „Vorhin lag in diesem Sarg ein Leichnam, ich habe ihn gesehen. Der Leichnam eines jungen Mädchens, das Ihnen merkwürdig ähnelt.“
    „Das also hat Ihre Freundin erschreckt?“
    „Ja.“
    „Die Toten flößen ihr Angst ein?“
    „Wenn sie urplötzlich verschwinden, ja. Was ist aus der Leiche geworden?“
    „Ich kann es Ihnen nicht erklären.“
    „Wer war es?“
    „In ein paar Tagen werden Sie es vielleicht erfahren.“
    „In ein paar Tagen? Morgen früh brechen wir auf.“
    Sie schaut ihn an, ihre Neugier wirkt wohlwollend, und ohne ihm zu antworten, sagt sie liebevoll lächelnd: „Ich weiß nicht, ob Sie Ihre Gefährten wiederfinden können.“
    „Warum?“
    „Ich möchte Ihnen helfen, aber ich weiß nicht, ob ich dazu fähig sein werde.“
    „Was wollen Sie damit sagen?“
    „Ich werde mein möglichstes tun, um Ihnen zu helfen.“
    „Sind sie in Gefahr?“
    „In Gefahr nicht.“
    Sie lächelt seltsam. Bernard kann nicht umhin, sie hübsch zu finden, allzu hübsch. Und er hat das Gefühl, daß alles übrige bedeutungslos geworden ist, selbst seine Freunde, weil er keine Wahl mehr hat, weil sein Wille ausgeschaltet ist.
    „Wie alt sind Sie?“
    „Das weiß ich nicht, ich zähle nicht auf die gleiche Weise wie Sie, und ich bin schon viel älter gewesen … zwanzig, vielleicht … ich habe Mühe, mich auf alles zu besinnen, es ist so lange her. Geben Sie mir eine Zigarette.“
    Er reicht ihr sein geöffnetes Päckchen, und sie bedient sich. Nachdem die Zigarette angezündet ist, setzt sie sich vor den Frisiertisch und betrachtet sich prüfend im Spiegel, als fände sie ihr Aussehen ein wenig anders als erwartet.
    „Ich verändere mich

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