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057 - Das Gespensterschloß

057 - Das Gespensterschloß

Titel: 057 - Das Gespensterschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Randa
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aufgehört, aber die Luft draußen wird auf jeden Fall erfrischend wirken.
    Die Tür führt zu einem ziemlich weiten Innenhof, der von einer hohen Mauer umschlossen wird. Es ist eher ein Garten als ein Hof. Marthe glaubt Bäume zu erkennen, kleine, verkrüppelte Bäume. Ein Garten ist es, ein Garten voller Ruinen … nein, ein Garten auch nicht … Ruinen, inmitten derer die Vegetation ihre Rechte wieder in Anspruch genommen hat.
    Der Schnee … eine dünne Schneeschicht bedeckt den Boden, ein feiner, pulvriger Schnee. Dabei fiel er doch am frühen Abend in dicken Flocken … es müßte hier viel mehr liegen.
    Ob Garten, Hof oder Ruinen, es ist nicht mehr die gräßliche Monotonie der Flure. Marthe macht ein paar Schritte und atmet tief ein.
    Hinter einer kleinen Steineinfassung fällt das Gelände leicht ab, ein ganz sanfter Hang. Ein schmaler Weg zeichnet sich ab. Marthe schlägt ihn ein, verwundert, daß sie kaum fröstelt, wo sie sich doch im Freien befindet. Seltsam, daß die Luft so gar nicht rauh ist. Der Schnee bedeckt alles und formt merkwürdige kleine Monumente, aus denen Säulenstümpfe herausschauen.
    Der Weg windet sich um eine Art von Grabhügeln. Marthe versucht sich zu orientieren, sie späht nach dem Licht irgendeines Fensters, aber nichts unterbricht die Gleichförmigkeit der Mauern. Als sie aufschaut, sieht sie den Himmel nicht, der mit Sternen übersät sein müßte.
    Mein Gott – es ist ein Friedhof!
    Jähes Entsetzen überkommt die junge Frau bei dieser Entdeckung. In welche Richtung soll sie flüchten?
    Angsterfüllt schaut sie sich um. Allzuviel Mysteriöses umgibt sie mit einem mal. Sie zuckt zusammen und sucht vergeblich einen Schrei zu unterdrücken. Ein Schatten bewegt sich zwischen den Gräbern.
    „Wer ist da?“
    Ihr Schrei scheint von der Dunkelheit verschluckt zu werden. Der Schatten kommt immer näher, eine Frau … eine weiße Gestalt, deren Leichentuch sanft weht – ja, ein Leichentuch. In ihrer Erstarrung hat die junge Frau nicht die Kraft, davonzulaufen. Ihr Herz klopft bis zum Hals. Die weiße Gestalt bleibt vor ihr stehen. Man könnte fast meinen, es sei die Frau, deren Porträt an der Wand des Zimmers hängt, in dem sie sich mit Bernard aufgehalten hat … nicht das junge Mädchen, die andere.
    „Ich habe auf Sie gewartet!“
    Die Stimme dieser Frau, dieser Erscheinung, klingt sanft, ein wenig verschleiert, aber nicht unangenehm.
    „Sie haben auf mich gewartet?“
    „Seit langem. Ich heiße Albertine. Kommen Sie.“
    Sie nimmt sie mit einer gewissen Herzlichkeit beim Arm. Marthe überlegt, ob sie sich wirklich ängstigt, oder ob das Entsetzen sie schließlich vollends empfindungslos gemacht hat. Albertine führt sie über den Friedhof, leichtfüßig geht sie auf ein an die Mauer gelehntes, niederes Gebäude zu.
    „Wohin führen Sie mich?“
    „Zur Kapelle.“
    „Sind Sie Frau Derais?“
    „Im Augenblick, ja.“
    Warum ist sie nur mit einem weißen Schleiertuch bekleidet? Was sucht sie zu solcher Stunde auf diesem Friedhof? Die Tür der Kapelle öffnet sich geräuschlos. Es ist eine nicht mehr benützte Kapelle, ohne Bänke. Der Altar ist mit Stroh umhüllt.
    „Wozu gehen wir in diese Kapelle? Bringen Sie mich zu Bernard oder in die Küche zurück.“
    Verwundert schaut Albertine sie an. „Dies ist die Stätte, wo wir den Wechsel vorzunehmen pflegen.“
    „Welchen Wechsel?“
    Die Frau lächelt unendlich liebevoll. „Den Wechsel … Ihre Freunde werden ebenfalls hierherkommen. Ich hatte es nur eiliger als die andern. Ich muß mich beeilen, ich weiß nicht, warum. Ich bin immer in einem fiebrigen Zustand.“
    „Ich verstehe nicht.“
    „Das macht nichts. Ich erkläre nie, Tristan macht das. Ich finde, es ist nutzlos und ungut.“
    Sie drängt Marthe in den rückwärtigen Teil der Kapelle, eine kleine Pforte öffnet sich hinter einem alten Beichtstuhl. Marthe reißt sich vom Arm ihrer Begleiterin los. Sie begreift nicht, was sie dazu treibt, dieser Frau so gefügig zu folgen, doch sie ahnt, daß all dies schicksalhaft ist. Trotzdem will sie sich zur Wehr setzen, ehe es zu spät ist.
    Eine Art Instinkt und zugleich ein physisches Widerstreben stellen das gefährdete seelische Gleichgewicht wieder her.
    „Ich will Ihnen nicht folgen.“
    „Doch, doch.“
    Albertine spricht mit ihr wie mit einem Kind, wohlwollend überlegen: „Niemand hat Sie darauf vorbereitet, aber das macht nichts.“
    „Worauf vorbereitet?“
    „Vielleicht ist es besser, wenn ich Ihnen nicht

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