Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
057 - Das Gespensterschloß

057 - Das Gespensterschloß

Titel: 057 - Das Gespensterschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Randa
Vom Netzwerk:
antworte.“
    „Was geht in diesem Hause vor?“
    „Nichts, was Sie nicht hinnehmen könnten.“
    Warum hat sie nicht das Bedürfnis zu schreien, davonzulaufen? Ihre Angst liegt vor allem in ihrer Resignation begründet, ihr Geist lehnt sich auf ‚nicht ihr Wille.
    Albertine Derais schaut sie nur an, sie bekundet keine Ungeduld und sagt lediglich: „Ich kann Sie nicht zwingen, Sie müssen freiwillig darauf eingehen … ich muß warten, bis Sie kommen. Ich dachte nur, die Stunde sei für mich gekommen.“
    „Was für eine Stunde?“
    „Haben Sie denn ganz zufällig die Tür zum Friedhof geöffnet?“
    „Ja.“
    „Das Ärgerliche ist, daß Sie sie nicht mehr finden werden.“
    „Bringen Sie mich hin.“
    „Nein. Alles, worum ich Sie bitte, ist, daß Sie zu mir zurückkommen, wenn Sie sich am Ende fühlen. Ich werde Sie hier erwarten. Jedenfalls werden Sie wieder hierherkommen müssen, auch wenn eine andere Sie darum ersucht.“
    „Eine andere?“
    „Kommen Sie.“
    Sie führt Marthe zu einem Kapellenfenster und öffnet es äußerst behutsam, um kein Geräusch zu verursachen. Fröstelnde Gestalten huschen draußen durch das Geviert. Alle tragen ein Leichentuch … ein Ballett von Hexen oder Gespenstern. Marthe spürt, wie sich ihr die Haare sträuben, und sie taumelt.
    „Schreien Sie nicht, sagen Sie kein Wort.“
    „Wer sind diese Menschen?“
    „Sie haben sie geweckt. Sie erwachen immer, wenn ein Lebender an bestimmten Abenden über den Friedhof geht.“
    „Ein Lebender? Ja, aber … Wollen Sie damit sagen …“
    Albertine schließt das Fenster wieder, noch immer lächelnd.
    „Sie können zu ihnen gehen, sie warten und hoffen auf Sie.“
    „Nein.“
    „Solange ich bei Ihnen bleibe, kommen sie nicht bis hierher.“
    „Lassen Sie mich nicht allein.“
    „Ich bin doch wie sie.“
    „Lassen Sie mich nicht allein.“
    Mit einem Neigen des Kopfes scheint die Frau ihr danken zu wollen.
    „Wenn die Stunde schlägt, werde ich gehen müssen.“
    „Welche Stunde?“
    „Es sei denn, Sie haben mich in die Sakristei begleitet.“
    Marthes Stirn ist schweißbedeckt, ihre Augen werden vor Entsetzen immer größer.
    „Die Toten kehren nicht zurück … also sind es keine Toten.“
    „Was wissen Sie über den Tod! … Ihr alle beurteilt ihn nach dem, was ihr von uns vorfindet: die vergängliche Hülle, den zu langsamem Verfaulen verdammten Leib, und ihr glaubt, damit sei alles zu Ende. Wie dumm ihr seid! Ihr wißt also nicht, daß auf einen Lebenden zehntausend Tote lauern? Immer wenn die Nacht günstig ist, spähen alle nach euch, sie strecken beschwörend ihre Hände aus, sie berühren euch im Dunkeln. Ihr streift sie unaufhörlich. Wenn die Finsternis euch ängstigt, dann sucht ein Toter in euch einzudringen. Alle unerklärlichen Ängste sind auf Tote zurückzuführen. Überall gibt es welche, in Unmengen, sie drängen sich auf euren Straßen, und bei der ersten Schwächeanwandlung werden sie sich eure fleischliche Hülle aneignen. Das ist alles, was ich will – und morgen werden Sie zu den Ihren zurückkehren.“
    „Ich werde zurückkehren?“
    „Niemand wird jemals etwas ahnen. Kommen Sie.“
     

     
    „Wie lange gehen wir nun schon?“
    „Ich weiß es nicht.“
    Der ewig gleichförmige Flur, alle fünf Meter von einem
    Fenstervorhang unterbrochen. Anfangs hat Jacques die Vorhänge hochgehoben, doch es ist ihm nicht gelungen, auch nur ein einziges Fenster zu öffnen, und schließlich haben sie es aufgegeben. Ebensowenig finden sie den Gang mit den Ahnenbildern wieder, obwohl sie das Gefühl haben, daß sie mit Leichtigkeit zu Tristan Derais gelangen würden, wenn sie es wirklich wollten.
    Simone fängt an zu weinen, und Jacques hält nicht inne, um sie zu trösten. Täte er es, so müßte er die Hunde vorausgehen lassen, und er hofft immer noch auf eine Fluchtmöglichkeit.
    Plötzlich erhebt sich im Gang ein Wehklagen: „Jacques!“
    „Komm.“
    Er beschleunigt seine Schritte und reißt Simone mit sich. Die sehnsuchtsvollen Klagelaute begleiten sie, werden immer gellender. Sie klingen wie der Gesang von Verdammten.
    Und nun kommt ein Klirren hinzu, das Geräusch von Ketten, ein verkrampftes Hohngelächter. Simone stößt einen Entsetzensschrei aus und zwingt Jacques, stehenzubleiben, indem sie sich an seinem Arm festklammert.
    „Dort!“
    „Was denn? Ich habe nichts gesehen.“
    „Doch … man wartet auf uns.“
    Die Hunde sind neben ihnen angelangt und verhalten jäh.
    „Ich sehe nichts,

Weitere Kostenlose Bücher