057 - Im Banne des Unheimlichen
ein merkwürdig geformter Gegenstand, fast so groß wie seine ganze Handfläche, der eigentlich einer Schnalle gar nicht ähnlich sah. Die dünne, mit Diamanten besetzte Oberfläche funkelte und blitzte im Schein der Straßenlaternen.
»Großer Gott!« stöhnte er. »Wie kommt das in meine Tasche?«
»Ich steckte es hinein«, bemerkte Marsh seelenruhig. »Ich war im Arbeitszimmer, und da fiel mir ein, daß ich vielleicht einem Polizisten in die Arme laufen könnte. Ein solcher Gegenstand in meiner Tasche hätte für mich die verhängnisvollsten Folgen haben können, und ich bin doch nur Ihnen zuliebe ins Haus gegangen.«
»Na, mir scheint, auch ein wenig aus eigenem Antrieb! Was wäre mir passiert, wenn man das Ding in meiner Tasche gefunden hätte?«
»Nichts. Sie sind ein anständiger Mensch. Im schlimmsten Fall wäre ich vor der Polizei erschienen und hätte eine Erklärung abgegeben. - Könnte ich ungestört einen Augenblick mit Ihnen plaudern?«
Bill zögerte. Seine Pflicht wäre gewesen, sich mit dem nächsten Polizeirevier in Verbindung zu setzen, aber das hätte ihn vielleicht selbst in eine unangenehme Lage gebracht.
»Kommen Sie herein!« sagte er und führte den Besucher in sein Wohnzimmer.
»Ich war noch nie in Bullotts Haus.« Marsh musterte beifällig die Einrichtung. »Eine bemerkenswert hübsche Wohnung - für einen Mann, der sein Leben lang Beamter war und sich nicht durch Gaunerei bereichert hat. Natürlich ist er Junggeselle, nicht wahr? Als Verheirateter hätte er sich das nicht leisten können.«
»Ich unterbreche nur sehr ungern Ihre geistvollen Ausführungen, Marsh. Aber ...« Bill legte den Schmuck auf den Tisch. »Mir liegt vor allem daran, zu erfahren, was Sie mit dem interessanten Stück da anfangen wollen.«
»Gerade darüber wollte ich mit Ihnen sprechen«, sagte Marsh. »Darf ich rauchen?«
Er zog sein goldenes Zigarettenetui hervor und öffnete es. Bill nahm die ihm angebotene Zigarette und wartete.
Marsh sprach sehr langsam und bedächtig und stieß zwischen den Worten, denen er Nachdruck verleihen wollte, Rauchwolken aus.
»Also, ich schlage vor, daß Sie diese Schnalle nehmen und in den Gewölben Ihrer Bank deponieren. Wenn Sie keine Bank haben sollten, oder wenn diese kein Gewölbe hat, so könnte man das Schmuckstück einem Notar anvertrauen.«
Bill sah ihn stirnrunzelnd an.
»Wenn Sie fertig sind mit Ihren Scherzen ...«
»Aber ich scherze gar nicht, Mr. Holbrook, ich mache nur einen Vorschlag, wie man am besten Miss Elisabeth Carews Eigentum sicherstellen könnte.«
»Miss Carews Eigentum?«
»Ja. Sie weiß zwar nicht, daß es ihr Eigentum ist, und Dr. Laffin weiß nicht, daß ich es weiß. Er glaubt, daß außer ihm selbst und einem Menschen, dessen Namen ich nicht nennen will - verzeihen Sie mir diese Geheimniskrämerei, aber das ist meine Schwäche -, er glaubt also, daß sonst niemand auch nur eine Ahnung von der Existenz dieser Schnalle hat. Nachdem wir nun diese Angelegenheit zu jedermanns Zufriedenheit erledigt haben, schlage ich weiter vor, daß Sie so bald wie möglich bei den Stolzen Söhnen von Ragusa eintreten.«
Bullott war nach Hause gekommen. Bill hörte ihn herumgehen.
»Wäre es Ihnen recht, Marsh, wenn ich diese Sache mit Bullott bespräche?« fragte er.
»Gar nicht recht«, antwortete Toby rasch. »Bullott ist Polizeibeamter, also ein Mann, dessen geistige Fähigkeiten nie auf die Probe gestellt wurden. Ich würdige Ihre schwierige Lage, Mr. Holbrook, aber Bullott wird Ihnen nicht heraushelfen.«
Bill wog die Schnalle einen Augenblick in der Hand und schloß sie dann in einer Schreibtischschublade ein.
Bullott kam die Treppe herauf und konnte jeden Augenblick an die Tür klopfen.
»Sie möchten dem Polizeiinspektor wohl nicht begegnen?« fragte Bill.
Toby zuckte die Achseln.
»Ich möchte am liebsten mit allen Menschen in Frieden leben. Wenn er hereinkommt, werde ich ihn mit allem Respekt behandeln. Ich habe nichts gegen Bullott.«
Bill lachte.
»Es fragt sich nur, ob Bullott nicht etwas gegen Sie hat!«
Es klopfte, und Bill öffnete die Tür.
Bullott erkannte den Besucher auf den ersten Blick.
»Guten Abend, Bruder -«, sagte er, das letzte Wort so vielsagend betonend, daß Bill überrascht von einem zum andern blickte.
Toby Marsh zwinkerte mit den Augen.
»Wir sind beide Söhne von Ragusa«, erklärte er. »Befolgen Sie meinen Rat, Mr. Holbrook - treten Sie ein, solange es noch nicht viel kostet.«
»Sie sind beide Söhne von
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