Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
057 - Im Banne des Unheimlichen

057 - Im Banne des Unheimlichen

Titel: 057 - Im Banne des Unheimlichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
Vom Netzwerk:
nie das Haupttor. Die anderen, mit Ausnahme von Ihnen, ja auch.«
    Pawter nickte. Er wußte, daß er der einzige Prior war, der beim Haupteingang eintrat. Die anderen pflegten durch eine kleine Tür in der Gartenmauer zu schlüpfen, die wahrscheinlich schon in früheren Zeiten den Oberen der Mönche als Ausgang gedient hatte.
    Bald sah Pawter die Umrisse der Priorei in der Ferne auftauchen. Es war ein unschönes, niedriges Gebäude, das sich in Farbe und Aussehen so recht dem Moor anpaßte und von grauen, efeubewachsenen Mauern umgeben war. Das schwere Gittertor, das sich bei ihrer Ankunft öffnete, erinnerte ihn immer an ein Gefängnistor. Drinnen aber herrschte tiefer Friede. Ein großer, gepflegter Garten, dessen Blumenpracht das Auge entzückte, umgab das Haus. Gepflasterte Wege führten zum Säulengang, der rund um das Kloster lief. Es war ein Hafen des Friedens und der Ruhe.
    Pawter folgte dem Chauffeur, der zugleich Hausdiener war, durch einen langen, mit Steinfliesen belegten Gang. Durch eine niedrige Tür traten sie in ein Arbeitszimmer mit vielen, wohlgefüllten Bücherborden. Dieser Raum war durch eine türlose Öffnung mit einem zweiten Zimmer verbunden, das in einem strengen Stil, aber dennoch sehr behaglich möbliert und mit schönen Teppichen, Blumen, Blattpflanzen geschmückt war. Jedem Prior stand eine solche Wohnung zur Verfügung.
    »Die Versammlung findet um acht Uhr statt, Sir«, sagte der Diener. »Wünschen Sie ein Abendessen?«
    »Nein, danke, ich habe schon gegessen.«
    Der Diener öffnete einen Wandschrank, nahm eine Flasche Whisky, ein Glas, eine Sodawasserflasche und ein Zigarrenkistchen heraus und stellte alles auf den Tisch.
    »Bitte, läuten Sie, wenn Sie noch etwas brauchen.«
    Als Pawter allein war, suchte er sich eine Zigarre aus, steckte sie an und trat an das vergitterte Fenster, das auf einen kleinen Hof hinausging. Er versuchte vergeblich, sich von dem Gefühl des Unbehagens freizumachen, das ihn beim Eintritt ins Kloster befallen hatte. Das war etwas ganz Neues, er hatte an diesem Ort noch nie ähnliches empfunden. Hing es mit den beunruhigenden Fragen zusammen, die William Holbrook ihm am Vormittag gestellt hatte?
    Er ging zum Tisch, zog sich einen Stuhl heran und entfaltete einige mitgebrachte Papiere. Kaum hatte er sich damit zu beschäftigen begonnen, da wurde leise an die Tür gepocht. Ein gutmütig aussehender, rundlicher Mann, der fast so kahl wie Pawter war, trat ein, kam auf ihn zu und schüttelte ihm die Hand.
    »Man sagte mir, daß Sie da sind«, begann er in dem hier gebräuchlichen Flüsterton. »Da wollte ich Sie begrüßen und Ihnen Neuigkeiten erzählen. Wissen Sie schon, daß Bruder John tot ist? Wir haben es erst heute erfahren, aber der Großprior wußte es schon länger.«
    »Ist der Großprior wohlauf?«
    »Bei bestem Wohlsein, Sir. Er war einige Zeit abwesend, ist aber heute morgen zurückgekehrt.«
    Der Mann war der Verwalter der Priorei. Er hieß Blackwood. Pawter kannte ihn schon seit vielen Jahren. Der Verwalter und die ihm unterstellten Diener der Prioren waren die eigentlichen Herren des Hauses, und die Söhne von Ragusa zahlten ihre dauernd angestellten Leute gut. Schon mancher, der nur vorübergehend in Dienst genommen wurde, war ständig geblieben, während die Prioren manchmal schon nach einem Jahr ausgewechselt wurden. Nur Bruder John hatte von Anfang an in der Priorei gelebt.
    »Wer ist an die Stelle Bruder Johns getreten?« fragte Pawter.
    »Bruder James, ein stiller, frommer Mann.«
    »Ich habe mich oft gewundert, warum man Sie nicht zum Prior gemacht hat, Blackwood!« bemerkte Pawter halb im Scherz und zog an seiner Zigarre.
    »Ich ziehe meine Stellung vor«, versicherte der Verwalter sogleich. »So eingesperrt zu leben, keinem Menschen das Gesicht zu zeigen, mit niemandem zu sprechen - das ist nichts für mich! Wirklich, manch einer hält das Leben hier kaum ein paar Tage aus und möchte schon nach der ersten Woche davonlaufen. Andere wieder blieben am liebsten ganz da und sind empört, wenn sie abgesetzt werden und neuen Prioren Platz machen müssen. Es gibt da eben ganz verschiedene Auffassungen und Temperamente. Wissen Sie, Mr. Pawter, daß ich während meines ganzen Aufenthalts hier noch nie das Gesicht eines Priors gesehen habe, es sei denn eines verstorbenen?« »Was geschieht aber, wenn einer krank wird?«
    »Kranke werden zu den Ihren nach Hause geschickt. Übrigens haben wir seit langer Zeit nur einen einzigen Fall ernster

Weitere Kostenlose Bücher