057 - Schreckensmahl
Eric aufzupassen, wenn sich dies überhaupt als notwendig erweisen
sollte. Die alte Dame lächelte. In ihren Augen flackerte ein geheimnisvolles
Licht. Aber das beachtete niemand.
Frank Berry traf wie versprochen Punkt sechs in der Villa
ein.
Joan sah aus wie eine Fee in dem knöchellangen Abendkleid.
Frank Berry stieg nur kurz aus, um Mrs. Moorefield zu
begrüßen, die mit Eric um den Wagen herumkam. Der Schauspieler nahm seinen
Jungen auf den Arm, und sagte: »Ich denke doch, daß ich mich auf dich verlassen
kann, nicht wahr?
Du bist jetzt schon ein großer Junge – fast schon ein
Mann, daß du dein Wort auch halten wirst.«
»Klar, Daddy.«
Frank ließ seine Frau einsteigen. Mrs, Moorefield ging
mit dem Jungen um die Kühlerhaube herum, blieb einen Moment stehen, bückte
sich, als hätte sie etwas fallen lassen und ging dann mit Eric die breiten,
ausgetretenen Sandsteinstufen zum Eingang empor.
Die Luft war kühl, der Himmel stark bewölkt. Ein leichter
Nieselregen fiel.
»Kein besonders gutes Wetter«, meinte Joan Berry, als
Frank den Wagen über den Weg steuerte. »Paß auf! Es ist neblig.«
Lange Nebelbänke waberten über die Straße. Die Autos in
Gegenrichtung fuhren im Schrittempo, und man sah die Lichtkreise der
Scheinwerfer erst bei kurzem Abstand.
»Ich werde dich schon sicher an Ort und Stelle bringen,
darauf kannst du dich verlassen.«
»Was war das?« fragte Joan Berry.
»Vielleicht ein Laubhügel …«
Erst fuhr das rechte Vorderrad darüber hinweg, dann das
Hinterrad.
»Oder ein Tier. – Bitte steig aus und sieh nach! Es
könnte nicht ganz tot sein. Ich möchte nicht, daß es sich quält.«
Das war typisch für Joan. Frank fuhr rechts ran,
schaltete die Blinklichter zurück. Als er ins Auto stieg, hielt er eine
Stoffpuppe in der Hand.
»Muß jemand verloren haben«, sagte er beiläufig, drehte
die Stoffpuppe zwischen den Fingern und schüttelte den Kopf.
Joans Augen weiteten sich. »Zeig her, Frank«, sagte sie mit
plötzlich veränderter Stimme, und der Schauspieler sah seine Frau mit einem
merkwürdigen Blick an, als sie ihm die Puppe aus der Hand riß.
Das einfache, primitive Gebilde hatte aus Stoff gefüllte,
plumpe Glieder und eine Stoffkugel als Kopf. Die Puppe trug eine lange Hose aus
Blue Jeans und einen kleinen, raffiniert genähten roten Frottee-Pullover.
»Fällt dir nichts auf, Frank?« fragte Joan Berry leise.
Ihre Augen glühten wie in einem plötzlichen Fieber.
Frank Berry wollte den Wagen starten, aber seine Frau
hinderte ihn daran.
»Das Frotteehemd, das ich vermißt habe! Es war der
gleiche Stoff! Es ist dieser Stoff, die Farbe stimmt ganz genau. Ich hatte es
beinahe vergessen, doch jetzt fällt es mir wieder ein.«
Angst mischte sich in ihre Stimme. »Als Mrs. Moorefield
uns zum ersten Mal besuchte – von dieser Zeit an war auch das rote Frotteehemd
verschwunden …«, fuhr sie stockend fort. Alles, was Mrs. Biller ihr erzählt
hatte, schlug wie eine Welle blitzartig in ihrem Bewußtsein zusammen. »Fahr
zurück, Frank! Schnell! Ich muß Eric sehen. Er ist in Gefahr, ich fühle es!«
Er konnte reden, was er wollte. Joan ließ sich von seinen
Worten nicht überzeugen.
»Wir kommen zu spät!« schrie er sie an. Er war puterrot.
»Das ist mir egal. Ich will wissen, woran ich bin. Wir
haben eine Puppe gefunden, die …«
»… nicht die geringste Ähnlichkeit mit Eric hat.
Mrs. Moorefields Puppen sehen anders aus, und diese
Puppen wiederum haben nicht das geringste mit Hexerei zu tun.«
»Diese Puppe aber trägt einen Pullover aus dem roten
Frotteehemd, das Eric gehörte. Und Mrs. Biller hat selbst gesagt, daß es
genügt, den Gegenstand einer Person zu besitzen, um denjenigen zu vernichten.
Die Freundlichkeit Mrs. Moorefields war nicht echt, Frank! Ich habe es geahnt,
sie ist eine Hexe!
Aber sie ist anders, als man sich Hexen im allgemeinen
vorstellt.«
Sie redete wie eine Geisteskranke.
Frank Berry wendete auf offener Straße und fuhr mit
erhöhter Geschwindigkeit zur Villa zurück.
»Wir haben uns noch nie gestritten, Joan«, preßte er
hervor.
»Aber heute abend werde ich verdammt böse, wenn durch
dein idiotisches Verhalten meine Karriere …«
»Deine Karriere kann warten! Jetzt geht es um unseren
Sohn!
– Wenn ich mir vorstelle, wie sie ihn heute abend
angesehen hat, dann wird mir angst und bange, Frank. Gierig … ja, das ist der
richtige Ausdruck, gierig hat sie ihn angeblickt.«
Als sie noch fünfzig Meter vom Tor entfernt waren,
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