0572 - Terror der Vogelmenschen
etwas Mechanisches. Vor dem schlichten Bett, schon mehr ein Lager, blieb er stehen. Er starrte auf die offene Tür, ohne uns zu sehen oder bemerken zu wollen. Sein Gesicht war unter den dichten Federn verschwunden, selbst aus dem dichten Wirrwarr des Vollbarts sprossen sie.
Monty Heller bot einen unheimlichen Anblick und wirkte wie verkleidet. Als würde er als Statist im nächsten Moment den großen Auftritt auf der Bühne haben.
Er ging auch.
Mit mechanisch wirkenden Schritten näherte er sich der Tür. Dabei mußte er dicht an mir vorbei. Ich konnte nicht anders und streckte die Hand aus.
Die Fläche glitt über die weichen Federn hinweg, die aus den Haaren wuchsen. Sie waren sehr weich, daunig und wurden durch meine Handfläche glattgestrichen.
Aufhalten ließ er sich nicht. Wie jemand, der an einer langen Leine hing, trat er in die morgendliche Sonne hinaus. Wir schauten auf seinen Rücken, der Veränderte bewegte sich weiter, den zweiten, den dritten und den vierten Schritt.
Dabei schlenkerte er mit den Armen, als wären sie zu Flügeln geworden, die er noch ausprobieren wollte.
Plötzlich blieb er stehen.
Suko wollte ihm nacheilen. Ich konnte meinen Freund soeben noch zurückschleudern, denn aus dem Sonnenlicht war etwas Großes, Gelbes nach unten gestoßen.
Eine Spitze.
Und sie traf den Schäfer!
Beide sahen wir, wie er die Arme hochriß, als wollte er nach einem nichtvorhandenen Rettungsanker greifen.
Irgendwie schaffte er das auch, so paradox sich dies anhörte. Jedenfalls blieb er nicht mehr mit beiden Beinen auf dem Boden stehen. Eine andere Kraft zog ihn in die Höhe, riß ihn mit, und wir kamen bewußt zu spät. Aber wir konnten noch erkennen, wer diesen Mann entführt hatte.
Es war eine gewaltige gelbe Pyramide, die von mehreren Vogelmenschen umflogen wurde und mit einer rasenden Geschwindigkeit in das lichte Blau des Himmels raste…
***
Suko und ich standen vor dem Haus und konnten nur noch staunen.
Dieser Angriff hatte uns total überrascht, wir kamen damit nicht zurecht und spürten beide das dumpfe Gefühl der Hilflosigkeit und der eigenen Vorwürfe, die wir uns machten.
Mein Freund hob die Schultern. »Sorry, aber das habe ich vorher nicht wissen können.«
»Frag mich mal, Alter.«
»Was haben die Vogelmenschen mit ihm vor. Was wollen sie mit dem Mann?«
»Ich weiß es nicht.« Während meiner Antwort schaute ich normalen Seevögeln nach, die sich hoch über unseren Köpfen zu einem dunklen Schwarm zusammengefunden hatten, Kreise flogen und dabei irgendwie bedrohlich wirkten.
Das war auch Suko nicht entgangen. Er legte seine Stirn in sorgenvolle Falten. »John, ich bin ja ein Vogelfreund, doch in Anbetracht einiger unangenehmer Abenteuer, die wir mit Geistervögeln erlebt haben, werde ich doch etwas unruhig.«
»Das kannst du wohl sagen.«
Der Schwarm traf keinerlei Anstalten, sich aufzulösen. Er blieb über unseren Köpfen, als wollte er uns nicht aus den Augen lassen.
Am Hang standen die Schafe.
Ja, sie standen still, als hätte man jedes von ihnen mit den Pfoten im Gras festgeklebt. Sie blökten nicht, sie rupften kein Gras, sie wirkten wie eingefroren.
Die beiden Hunde befanden sich noch immer zwischen ihnen. Sie hatten sich derart stark geduckt, daß es uns schwerfiel, sie überhaupt auszumachen.
Bleiben wollten wir nicht. Es gab einen Ort auf der Insel, auch einen Hafen. Wir wollten sehen, welche Menschen dort lebten und ob sie ebenfalls schlechte Erfahrungen mit gewissen Kreaturen gemacht hatten.
»Monty hat gesagt, daß wir aus der verkehrten Richtung gekommen sind. Okay, John, gehen wir in die andere.«
Das taten wir auch. Der Hang breitete sich vor uns als braungrüne Matte aus. Wir gingen durch die Lücken, die uns die Schafe gelassen hatten, und die Tiere glotzten uns starr an, ohne einen Laut von sich zu geben.
Auf der Kuppe angekommen, warfen wir einen letzten Blick zurück.
Bewegungslos lag die Hütte des Schäfers im Glanz der Morgensonne. Nichts zeugte von den Ereignissen, die kurz zuvor geschehen waren. Auch der Himmel war rein.
Keine gelbe Pyramide, kein Eiserner Engel, aber auch keine Vogelmenschen.
»Ein Spuk kommt, ein Spuk verschwindet«, sagte Suko. »Ich bin mal gespannt, was uns im Ort erwartet.«
Den konnten wir bereits sehen, da wir uns auf einem ziemlich hohen Punkt der kleinen Insel befanden. Es war eine Ansammlung von Häusern, die so gebaut worden waren, wie die Menschen gerade Lust hatten. Zu dicht am Wasser standen die Häuser
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