0578 - Welten des Grauens
Ast in Sicherheit zu bringen, ehe der Bär ihm die Krallen ins Fleisch schlagen konnte.
Von oben sah er auf das Tier hinab.
»Und nun?« bemerkte er spöttisch. »Jetzt wirst du dir etwas einfallen lassen müssen, Rico.«
Doch das mußte Rico ebensowenig wie Stygia. Meister Petz konnte nämlich klettern und kam den Baum schneller herauf, als Tendyke es für möglich gehalten hatte.
Ihm blieb nur eine Chance: Das Gewehr wie eine Lanze zu benutzen und es dem durch das Klettern leicht gehandikapten Bären in den Rachen zu stoßen.
Worauf das brummende Untier sich ebenfalls in einem Lichtblitz auflöste.
Nummer fünf marschierte auf und erlitt dasselbe Schicksal.
»Wirklich einfallslos. Einen Bären nach dem anderen abzumurksen, das wird auf die Dauer langweilig.«
Aber was, wenn dieses teuflische Spiel so lange seinen Fortgang nahm, bis er ermüdete und nicht mehr kraftvoll genug zustoßen konnte? An sich brauchte der Erfinder dieses Spiels nur abzuwarten, Tendyke merkte nämlich bereits, wie die Sache an seinen Kräften zehrte. In diesem Punkt war er den Gegnern unterlegen. Die tauchten nämlich stets mit Originalstärke auf.
Aber soviel Geduld schienen Calderone und Stygia nicht zu haben.
Stygias Stimme ertönte aus dem Nichts.
»Die dreihundert Sekunden sind um. Das war die erste Spielrunde. Nun wollen wir den Schwierigkeitsgrad mal ein wenig erhöhen…«
***
Ebene 2:
Nicole fand sich in einem schmalen Korridor wieder. Nach nicht ganz einem Dutzend Metern mündete er in einen Quergang. Die Wände waren etwa zwei Meter hoch.
Sie seufzte. Sollte dieses Spiel so etwas wie ein Labyrinth sein?
Sie wollte es immer noch nicht so ganz wahrhaben. Sie war in ein Computerspiel geraten - und zwar nicht als Spieler an der Konsole, sondern mitten drin, als Figur.
Allerdings - wenn Stygia ihre Krallen im Spiel hatte, war alles möglich. Ein Rätsel blieb nur, wie das verteufelte Spiel den Weg durch die weißmagische Abschirmung geschafft hatte. Und wieso es die drei Computer unter seine Kontrolle bringen konnte.
Etwas stupste hart gegen ihren Rücken.
Unwillkürlich machte sie einen Sprung nach vorn. Das rettete ihr das Leben!
Als sie sich umsah, rollte die Kugel schon unaufhaltsam weiter auf sie zu. Sie füllte den gesamten Gang aus.
Nicole begann zu laufen. Was hatte Stygia gesagt? Dreihundert Sekunden dauerte die Spielrunde?
Es sollte kein Problem sein, dreihundert Sekunden zu überleben, dachte Nicole - ohne zu ahnen, wie unendlich lang fünf Minuten werden können. Nach wenigen Sekunden nämlich ermüdete sie bereits.
Rechts oder links?
Sie wandte sich nach rechts.
Immer eine Richtung beibehalten, und du kommst aus jedem Labyrinth wieder heraus! Es dauert zwar, aber du kannst es schaffen…
War das die Zielvorgabe, die Stygia ihr stellte, ohne sie benannt zu haben?
Innerhalb von fünf Minuten heil aus dem Labyrinth zu gelangen?
Die Kugel folgte ihr weiter, mit unverminderter Geschwindigkeit!
Die nächste Abzweigung. Nicole wandte sich wieder nach rechts. Die Kugel rollte hinter ihr her.
Wieder rechts und - Sackgasse!
Zurück, nach rechts weiter. Aber das ging nicht mehr. Die Kugel war bereits zu nahe und drängte Nicole in die Sackgasse zurück.
Sie wurde gegen die Wand gepreßt…
Game over.
***
Im Château Montagne redete Fooly pausenlos auf Zamorra ein und schien nicht begreifen zu wollen, daß der Dämonenjäger und Parapsychologe eigentlich endlich seine Ruhe haben wollte, denn seit über einer halben Stunde versuchte der Jungdrache ihn davon zu überzeugen, daß im Park hinter dem Château unbedingt ein kleiner Garten angelegt werden müsse.
»Nein«, murmelte Zamorra zum inzwischen 35. Mal.
Er hatte noch eine Menge Arbeit vor sich, die dringend erledigt werden mußte. In den letzten Tagen und Wochen war so einiges liegengeblieben. Nicole hatte sich schon ins Arbeitszimmer begeben, aber es war durchaus genug Arbeit für zwei, und eine ganze Menge davon blieb so oder so nicht an der Sekretärin, sondern am Chef hängen - mithin an Zamorra.
Diese Arbeit wollte er nun angehen, bloß hing der Drache beinahe wie eine Klette an ihm und ließ sich nicht abwimmeln.
»Ich hab's schon einige Male gesagt, und ich will mich nicht länger wie ein kleines Kind abweisen lassen«, zeterte Fooly. »Immerhin bin ich schon hundert Jahre alt - so ungefähr.«
»Ja«, seufzte Zamorra. »So benimmst du dich meistens auch - wie ein hundertjähriger Greis, der in seine zweite Kindheit verfallen
Weitere Kostenlose Bücher