058 - Der Duft von Sandelholz
dass er diese Frage schon ein paar Mal beantwortet hatte. Aber geduldig wie er nun einmal war - nein, er war in dieser Hinsicht fast ein Heiliger! - unterdrückte er den Impuls hinzugehen und dem Mann einen Schlag zu versetzen, der die anderen dazu bringen würde, ihm zuzuhören.
Bei den neuen Rekruten pflegte es Wirkung zu zeigen. Vielleicht sollte er es hier einmal versuchen.
Aber natürlich war England nicht Indien. Die Zivilisation war so lästig. Es hätte ihm Vergnügen bereitet, sie alle anzuschreien, wie es an der Front üblich war. Aber schon aus Prinzip gestattete Derek es sich nicht, mit Männern zu streiten, deren Schädel er unter anderen Umständen mit bloßen Händen zerdrücken könnte.
Das wäre nicht fair.
Schließlich waren sie nur Zivilisten. Zivilisierte Diener des Staates, die nicht verstanden, warum er nicht vor ihnen im Staub kroch und sie anflehte. Warum sollte er das tun? Für ihresgleichen empfand er nicht viel Respekt. In seiner Welt musste man sich Respekt verdienen.
Und außerdem rühmte er sich der Eigenschaft, jedermann stets die Wahrheit ins Gesicht zu sagen - also war er in gewisser Weise perfekt für diese Aufgabe. Er hatte die unverblümte Wahrheit immer jedem Versuch vorgezogen, die Gefühle der Menschen zu schützen, und nie hatte er sich von einem Titel einschüchtern lassen.
Wie auch immer - es gelang ihm, nicht herumzubrüllen, und er schlug ihnen auch nicht die Köpfe ein. Stattdessen setzte er sein freundlichstes, vornehmstes Lächeln auf - denn schließlich war er von adeliger Herkunft - und beantwortete die ihm gestellte Frage mit großer Langmut ein weiteres Mal.
Er wünschte sich nichts sehnlicher, als irgendwo anders zu sein, am liebsten bei seinen Männern mitten in einem Kampf, aber leider war diese Mission in London seine Strafe. Vor ein paar Monaten war es ihm gelungen, seinen Kommandeur Colonel Montrose zu verärgern, und für diese Unverschämtheit war es ihm jetzt auferlegt worden, diese demütigende Aufgabe, in London um Geld zu betteln, erfolgreich zu erledigen. Nur dann würde er den Rang zurückbekommen, den er einst innegehabt hatte.
Verdammt - er sollte auf seinem Pferd an der Spitze seiner Kavallerieeinheit reiten, seiner Truppe, die er persönlich ausgebildet hatte. Sein älterer Bruder Gabriel Knight führte eine ähnliche Schwadron an, und häufig hatten sie diesen Umstand genutzt, um den Feind einzukesseln, ein klassischer Zug der Kavallerie.
Aber jetzt war alles anders.
Wenn er sich seine Soldaten da draußen ohne sie beide vorstellte, zeitweilig unter dem Kommando von anderen Offizieren, die unmöglich dieselben Fähigkeiten wie die Gebrüder Knight besitzen konnten - nun, es war am besten, nicht zu sehr darüber nachzudenken, denn solche Überlegungen verfinsterten ernsthaft sein heiteres Gemüt.
Hol dir einfach das Geld, riet ihm eine innere Stimme, die wilde Seite in ihm, die in den Jahren des Kampfes stark genug geworden war, um ihm beim Überleben zu helfen. Bald bist du fort von hier. Du wirst deine Chance bekommen, um es diesen Maratha-Bastarden heimzuzahlen.
Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass einige seiner Kameraden aus dem Regiment ihr Leben in den Kämpfen verloren hatten, so war bei dem letzten Zusammentreffen mit Baji Raos Helfershelfern um ein Haar auch sein Bruder getötet worden -und das war ein Unrecht, das Derek nicht verzeihen konnte. Ja, im Krieg gab es ernsthafte Verwundungen, aber dies hier war etwas anderes.
Er wollte Blut sehen.
Je eher er den Unterausschuss dazu brachte, das Budget der Armee aufzustocken, desto eher würde er sein altes Kommando zurückerhalten. Wenn er erst wieder dort war, wohin er gehörte, konnte er diese Maratha-Bastarde jagen und zur Rechenschaft ziehen.
Nach östlicher Sitte.
Wenn du meinen Bruder anrührst, werde ich deinen Kopf auf einen Spieß stecken.
Ein paar Stunden später, als er durch die Türen von Althorpe's trat, die passende Adresse, unter der er und sein Bruder Quartier bezogen hatten, stieg Derek der vertraute Duft von Gewürzen in die Nase, die die indischen Dienstboten mit der Familie Rnight nach England gebracht hatten. Die Gerüche boten ihm etwas Trost nach diesem unerfreulichen Tag. Schwarzer Pfeffer, Kreuzkümmel, Koriander - die Düfte, die durch das Appartement mit seinen fünf Zimmern zogen, zeigten ihm, dass die gute alte Purnima wohl ihr berühmtes Hühnchencurry kochte. Er seufzte und stieß die Tür hinter sich zu.
„Du bist zurück? Wie war
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