058 - Der Duft von Sandelholz
Mr. Jones finden könnte.
Von da an war es nicht schwierig gewesen, den Schurken aufzutreiben. Gegen elf Uhr abends hatte er den Kutscher gefunden, als er sich in seiner liebsten Taverne betrank. Mit roten Wangen und schmierig von dem Essen im Pub, das er hinuntergeschlungen hatte, war Jones in einen neuen Anzug gekleidet und gab Runden für seine Freunde aus. Er war regelrecht in Hochstimmung.
Ein kleiner Kampf war entstanden, aber Derek genoss es, ein wenig den Krieger in sich zu spüren, gerade nach dieser langen Zeit eines verdammten Zivillebens.
Er warf seine glücklosen Gegner - die Freunde des Kutschers hatten sich loyal zeigen wollen und sich mit eingemischt - über die Tische, ließ sie über Stühle stolpern und über die Bar gleiten. Als sie endlich aufgaben und vor ihm flohen, zog er seine Kleidung zurecht und erteilte Kutscher Jones eine Lektion darüber, was passierte, wenn man eine Lady ausnutzte.
Als der Wirt mit einer geladenen Muskete auftauchte und Derek nahe legte, das Lokal zu verlassen, war er längst friedlich geworden. Inzwischen hatte er nämlich den Namen und die Adresse der Pfandleihe in Erfahrung gebracht, wo Jones Lilys Ohrringe versetzt hatte.
Das war sein nächstes Ziel.
Um diese späte Stunde war der Laden natürlich geschlossen, aber der Besitzer lebte über dem Laden und kam schließlich die Treppe hinuntergeeilt, nachdem Derek unermüdlich an die Tür geklopft und nach Bedienung verlangt hatte.
Die Leute, die vorüberkamen, hielten ihn vermutlich für außerordentlich betrunken, vor allem, da man ihm während der Prügelei Bier über den Kopf geschüttet hatte und er jetzt nach abgestandenem Ale roch.
Doch sein Verstand arbeitete messerscharf. Seine Gedanken waren auf Lily Balfour konzentriert, und selbst wenn er nicht bewusst an sie dachte, war sie in seinem Herzen, in seinen Adern. Das Band zwischen ihnen schien ein Eigenleben entwickelt und jede Faser seines Selbst durchdrungen zu haben.
Es würde ihm auf jeden Fall gelingen, ihre Ohrringe zurückzuholen. Er verstand nur zu gut, was dieses Opfer bedeutete, das sie für ihn gebracht hatte. Und jedes Mal, wenn er daran dachte, erstaunte es ihn aufs Neue. Er konnte nur immer wieder den Kopf schütteln über die Freude und Erfüllung, die er darüber empfand.
Während er vor dem Laden auf und ab ging und darauf wartete, dass der Inhaber sich zeigte, sah er sich um und bewunderte die Schönheit, die ihn umgab. Die ganze Welt erschien ihm auf einmal eine andere zu sein, wie sie da so im Mondlicht glänzte.
Selbst die schmale, schmutzige Gasse und das staubige Fenster leuchteten in einem silbrigen Schein.
Als er die Gartenparty wieder mit seiner Anwesenheit beehrte, war Fanny Coates die Einzige gewesen, die den wahren Grund für seine Abwesenheit erahnte.
Schließlich hatte sie auch mitbekommen, als er in der Konzertpause im Garten von Lord Fallow mit Lily verschwunden war. Aber mit einem wissenden Lächeln hatte die erfahrene Lady ihre neckenden Fragen nur ganz leise gestellt, und Derek hatte nichts verraten.
Obwohl ihn das lustvolle Erlebnis mit Lily von seinem eigentlichen Plan abgebracht hatte - was er keineswegs bedauerte -, blieb doch die Tatsache bestehen, dass er seine eigentliche Aufgabe, Lundys Akten durchzusehen, nicht erfüllt hatte. Noch immer brauchte er diese Information. Hinzu kam, dass es bestimmt nicht mehr lange dauern würde, bis Lundy die Zuneigung - um nicht zu sagen die glühende Leidenschaft, die zwischen ihm und Lily bestand - zu erahnen begann.
Derek gefiel es nicht, einen Mann zu hintergehen, aber er ging davon aus, dass er die Freundschaft noch eine Weile vortäuschen musste, bis er ihrem ungehobelten Verehrer einige Antworten entlocken konnte. Sobald nämlich Lundy herausfand, was zwischen ihnen beiden war, würde er sich sämtlichen Fragen seinerseits zweifellos entziehen.
Er hatte schon einige Ideen, wie er ihn überreden könnte. Edward trank gern, und wenn Derek ihn völlig betrunken machen musste, um ihm Hinweise über das Komitee zu entlocken, dann würde er das tun.
In diesem Moment sah er durch das Ladenfenster, wie jemand einen Kerzenleuchter trug. Gleich darauf wurde unter Glockengeläut die Vordertür geöffnet.
„Ich bedaure sehr, Sie in Ihrer Ruhe stören zu müssen, Sir", sagte Derek zu dem Ladeninhaber. Der war ein kleiner, etwas zerzauster Mann, damit beschäftigt, sich seine Brille aufzusetzen. „Einer jungen Lady in meiner Bekanntschaft ist ein großes Unrecht zugefügt
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