058 - Der Duft von Sandelholz
noch immer an den Baum gekettet und hatte sich inzwischen heiser gebellt. Er begann seinen üblichen Lärm, als er sie sah, gab aber bald auf und setzte sich auf seine Hinter-beine. Er beobachtete sie nur noch, als sie alle aus den Kutschen stiegen.
Inzwischen grasten Lundys kostbare Pferde überall im Garten. Das Feuer brannte nicht mehr, aber Rauch stieg noch immer aus der Ruine des Stalls auf, um sich mit dem grauen morgendlichen Nebel zu vermischen.
„Seht!" Derek zeigte nach vorn. „Die war vorhin noch nicht hier."
Vor dem Haus stand eine fremde Kutsche.
„Jemand ist gekommen", murmelte Lily, während Derek sie hinter sich schob.
„Glaubst du, es ist Lord Sinclair?"
Plötzlich hörten sie ein Krachen und anschließend einen Schmerzensschrei.
„Edward." Lord Fallow wollte vorauseilen, als er die Stimme seines Schützlings erkannte. Er drehte sich zu Derek um. „Sie beide bleiben erst einmal hier. Ich werde gehen und mit ihm sprechen."
„Rufen Sie mich, wenn er Ärger macht."
Der Earl nickte, winkte dreien seiner vier Männer zu, ihm zu folgen, und machte sich auf den Weg. Derek sah zu, wie Lord Fallow laut an die Vordertür klopfte und Lundys Namen rief, ehe er öffnete.
Es überraschte ihn, dass die Tür nicht verschlossen war.
Der Earl und seine drei Diener gingen hinein.
Derek, Lily und der vierte Bedienstete warteten draußen. Derek ließ den Blick über das neugotische Ungetüm gleiten. Die Fenster waren dunkel. Das Haus sah vollkommen verlassen aus. Selbst die Dienstboten schienen geflohen zu sein. Was war hier geschehen? Aber als aus dem Haus ein weiterer donnernder Knall zu hören war, steckte einer der Diener den Kopf aus der Tür.
„Major!"
„Gehen wir! Lily ..." Er wollte ihr sagen, dass sie mit dem verbliebenen Diener draußen bleiben sollte, aber als er zu ihm hin sah, bohrte der Mann sich im Ohl'.
Derek runzelte die Stirn. „Halte dich nahe bei mir", murmelte er und nahm ihre Hand.
Derek und Lily ließen den Diener zurück, damit er die Kutschen bewachte, und eilten ins Haus.
Der Mann, der ihnen zugewinkt hatte, führte sie in das Chaos.
Lord Fallow wartete auf sie in der Nähe von Lundys Arbeitszimmer, jenem Raum, in den Derek am Tag der Gartenparty hatte einbrechen wollen.
„Er hat sich dort eingeschlossen", murmelte der Earl. „Er antwortet nicht. Ich kann nicht zu ihm."
„Ist er allein?"
„Ich weiß es nicht, aber vor einer Minute hat er einen Schrei ausgestoßen, bei dem sich mir die Haare sträubten."
„Haben Sie sonst jemanden gesehen? Sinclair?"
„Nein. Beinahe hätte ich meinen Männern gesagt, sie sollen die Tür aufbrechen.
Aber Gott allein mag wissen, was wir dort finden."
„Ich werde es tun", erklärte Derek. Er drehte sich zu Lily um und deutete auf die Tür zum Salon, den sie während der Gartenparty aufgesucht hatten - eine wortlose Anweisung, damit sie sich dort versteckte.
Sie nickte und gehorchte.
Als er hörte, wie die Salontür ins Schloss fiel, ging er zum Arbeitszimmer. Von drinnen hörte er einen leisen Schmerzenslaut. Er hob die Waffe.
Mit einer Kopfbewegung bedeutete er Fallow, aus dem Weg zu gehen. Ohne Vorwarnung trat er die Tür auf und zielte mit dem Gewehr direkt auf Lundys Kopf.
Aber dann sah er, dass das nicht nötig' war.
Lundy hielt sich die Ohren zu und stieß einen erstickten Schrei aus.
„Meine Güte." Als Derek diese beiden Worte hervorbrachten, hasteten die anderen hinter ihm ins Zimmer.
Lundy taumelte an seinem Schreibtisch vorbei und ließ langsam die zitternden Hände sinken. „Leise, leise", raunte er.
„Edward", flüsterte Lord Fallow erstaunt und sah sich in dem chaotischen Zimmer um.
Das Büro war durchsucht worden, der Inhalt von Lundys Schreibtisch lag verstreut auf dem Boden herum.
„Er ist vollkommen betrunken", murmelte einer von Fallows Männern, während Lundy durch den Raum taumelte.
Der Earl schien zu demselben Schluss gekommen zu sein. „Edward, dies ist nicht der richtige Zeitpunkt für Trunkenheit."
„Fahr zur Hölle!", stieß Lundy hervor und spie die Worte seinem entsetzen Wohltäter förmlich entgegen.
„Edward", rief Lord Fallow erstaunt aus.
„Sie hätten mich in der Gosse lassen sollen, dort, wohin ich gehöre. Ich habe Ihnen das Leben gerettet, und das ist der Dank?"
„Er ist nicht betrunken, Mylord", sagte Derek in stoischer Ruhe. „Er wurde vergiftet."
„Vergiftet?", wiederholte Fallow.
„Wo ist Sinclair?", fragte Derek und ließ langsam die Waffe
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