058 - Der Duft von Sandelholz
bekannt wurden.
Derek brauchte nicht sehr lange, um zu erkennen, dass Lady Clarissa eine Macht darstellte, mit der man rechnen musste.
Himmel, er hatte schon in Schlachten gekämpft, die leichter gewesen waren als diese Dinnerparty. Lady Clarissa schien sich in Griffiths großräumigen Haus durchaus wohlzufühlen, aber was ihn selbst betraf, so wirkte sie weitaus weniger beeindruckt, das spürte er deutlich.
Tante Daisy war ein liebenswürdiges, aber eher ängstliches und aufgeregtes Geschöpf, das an diesem Abend nur einen Blick auf Matthew werfen musste, um vollkommen hingerissen von ihm zu sein. Von Cousine Pamela war Derek geradezu begeistert. Er veranlasste Griffith, für sie eine Liste mit all jenen Museen, Kunstgalerien und geistreichen Salons zusammenzustellen, die die angehende Schriftstellerin unbedingt besucht haben musste, während sie sich in London aufhielt. Sie starrte die beiden Männer an, als könnte sie es nicht fassen, dass tatsächlich jemand mit einer unscheinbaren alten Jungfer, wie sie eine war, sprechen wollte - ganz zu schweigen davon, dass sie sich für ihre Geschichten interessierten.
Während Derek sich mit Tante Daisy und Pamela anfreundete, tat Lily ihr Möglichstes, um mit Lady Clarissa „fertig zu
werden". Nachdem er Mutter und Tochter einige Stunden zusammen beobachtet hatte, waren seine Beschützerinstinkte aufs Höchste alarmiert.
Als die Dinnerparty sich dem Ende zuneigte, waren sowohl er als auch Lily merkwürdig erschöpft von dem Besuch. Sie unternahmen einen kurzen Spaziergang in den Hyde Park, um sich etwas zu entspannen. Den anderen sagten sie, bezüglich der Hochzeit hätten sie noch ein paar Einzelheiten zu besprechen.
Ungefähr eine halbe Meile legten sie schweigend zurück, zu müde, um Worte zu finden. Doch glücklicherweise tat es gut, einfach nur zu zweit zu sein.
„Also", begann Derek, als er sich genügend erholt hatte, um wieder sprechen zu können. In einem sehr vorsichtigen, aber freundlichem Ton fuhr er fort: „Deine Mutter wird bei uns leben?"
Lily biss sich auf die Lippen und sah ihn fragend an. „Nun ja, sie wohnt in Balfour Manor, und da wir dort leben werden, bedeutet das wohl, dass sie auch dort sein wird, oder?" Sie zuckte die Achseln.
„Richtig." Er rieb sich das Kinn, dann steckte er die Hände in die Taschen und blickte zu Boden.
„Könnte das ein Problem sein?", fragte sie ängstlich.
Derek wollte keine Schwierigkeiten verursachen, indem er ihre Mutter kritisierte.
Schließlich sollte er dieser Frau noch eine weitere Chance geben. „Nein, nein. Nicht von meiner Seite aus. Könnten wir sie in dem Flügel unterbringen, in dem die Fledermäuse sind?"
„Derek." Lily warf ihm einen tadelnden Blick zu, den das Funkeln in ihren Augen Lügen strafte.
„Tut mir leid", murmelte er. „Ich glaube, sie mag mich nicht."
„Nun, aber ich mag dich." Lily nahm seinen Arm und schob ihre Hand in seine Armbeuge, als sie weiter durch die Dämmerung schlenderten. „Liebster, ich weiß, dass meine Mutter anfangs manchmal recht hochmütig wirken kann. Sie braucht nur etwas mehr Zeit, um sich an dich zu gewöhnen, das ist alles."
„Wenn du das sagst."
„Keine Angst. Ich werde dich vor ihr beschützen", scherzte sie.
Er sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Ich mache mir um dich Sorgen. Ich sehe, dass du dich in ihrer Gegenwart
wie auf rohen Eiern bewegst. So taktvoll kann ich nicht sein."
„Kannst du nicht, oder willst du nicht?"
„Grrr."
„Willst du es nicht wenigstens versuchen - für mich? Wenigstens ein bisschen?
Komm schon, Liebling. Sie ist meine Mutter."
„Na schön", murmelte er und lächelte sie liebevoll, wenn auch ein wenig schief an.
„Sie hat dich geboren, und dafür stehe ich in ihrer Schuld. Also werde ich ihr ein aufmerksamer und gehorsamer Schwiegersohn sein. Jedenfalls so lange, wie ich es ertrage", fügte er hinzu.
Allerdings sagte er ihr nicht, dass er keinesfalls vergessen hatte, was Lily ihm über ihre Mutter erzählt hatte. Dass diese nämlich ihr die Schuld an dem Debakel mit Lord Owen Masters gegeben hatte. Sie war eine hartherzige Frau, und er hatte nicht die Absicht, ihr Sympathien entgegenzubringen.
Seine neue Lebensaufgabe war es jetzt, seine Braut zu beschützen.
Am nächsten Tag, während Lily, ihre Mutter und Tante Daisy über die letzten Einzelheiten der Hochzeit sprachen und während Pamela allein unterwegs war, um Londons kulturelle Attraktionen zu bewundern, blieb Derek im Althorpe's,
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