058 - Der Duft von Sandelholz
nutzlose Entschuldigung für seine unbedachten Worte, aber Derek Knight sagte nichts, sondern sah Lily nur an.
Dann blickte er zu Bess hinüber.
„Wie aufmerksam von Ihnen, uns alle darüber aufzuklären, Miss Kingsley", sagte er leise und in schmeichelndem Ton, in dem sich nur unzureichend eine Drohung verbarg.
„Ich bedaure Ihren Verlust", sagte Mrs. Coates und nickte Lily zu, eine elegante Geste, die Lily erwiderte.
„Danke. Es ist lange her." Sie suchte nach einer Ausrede, um gehen zu können, fand aber keine. „Würden Sie mich bitte entschuldigen? Ich muss ..."
Sie verstummte.
„Lily?", fragte Mrs. Clearwell leise, als sie sich zum Gehen wandte.
„Ich hole mir nur ein Glas Punsch, ehe - ehe das Konzert anfängt."
„Soll ich ...", setzte Edward an.
„Nein", entgegnete sie. „Ich bin gleich wieder da."
Lily konnte es nicht länger ertragen, seinen fragenden Blick zu spüren.
Ihr Unglück ging ihn nichts an. Ihr Familienstolz ertrug kein Mitleid, weder von ihm noch von sonst einem Menschen. Sie hielt sich kerzengerade, als sie zu dem Tisch mit den Erfrischungen ging, aber tatsächlich hätte sie am liebsten geweint.
Es war alles so sinnlos.
Der wunderbarste Mann, den sie je gekannt hatte, war auf einem fernen Kontinent gestorben, ganz umsonst. Und wenn der charmante Major sich auch für unbesiegbar halten mochte, so würde auch er vermutlich irgendwann das Schicksal ihres Vaters teilen.
Bald begann die Musik.
Derek war verwirrt. Als er herkam, hegte er noch immer einen Groll gegen Lily Balfour, darauf gefasst, von allem gekränkt zu sein, was sie sagte.
Er hatte nicht diesen Stich in seinem Herzen erwartet.
Ihm war nicht bekannt gewesen, dass sie in Indien ihren Vater verloren hatte, aber es war nicht schwer zu erraten, dass sein Tod die Familie in schwere Zeiten gestürzt hatte und dass ihr Plan, einen reichen Mann zu heiraten, die Folge davon war. Ganz bestimmt hatte das Schicksal ihres Vaters auch mit ihrer schlechten Meinung über Engländer zu tun, die in Indien ihr Glück machen wollen.
Du bist nicht mit mir böse, nicht wahr, Lily?, überlegte er und beobachtete sie, während das Konzert begann. Es geht eigentlich um deinen Vater.
Er ging nach Indien und ließ dich zurück. Überließ es dir, mit den Problemen fertig zu werden, die er nicht zu lösen vermochte.
Nun, da er mehr über ihre Lage wusste, fühlte er sich wie ein verdammter Schurke, weil er sie wegen ihrer Jagd nach einem reichen Ehemann gescholten hatte. Ihr Plan, Ed Lundy zu heiraten, gefiel ihm noch immer nicht, aber sie hatte recht - es stand ihm nicht zu, über sie zu urteilen, wenn er die Umstände nicht kannte.
Er konnte nicht aufhören, sie während des Konzerts anzusehen, ihr feines Profil zu betrachten. Es schmerzte ihn, ihre behandschuhten Hände zu sehen, die sie so reizend im Schoß gefaltet hielt. Im Licht der Kerzen funkelte der Diamant in ihrem Ohr wie ein Stern und erinnerte ihn an das Geheimnis, das sie miteinander teilten.
Und er wollte mehr.
Wenn er doch nur noch einmal mit ihr allein sein könnte, dann würde er es anders anstellen. Er würde sanfter mit ihr sein, denn als er sie beobachtete, wurde ihm klar, dass sie eine sanfte Person war. Selbst zu Lundy war sie freundlicher, als sie es sein musste.
Während der Klaviersonate hatte er bemerkt, dass sie nie auch nur zuckte, selbst wenn ihr Verehrer wenig Feingeist zeigte. Ihr Verhalten war stets geduldig und von taktvoller Ruhe. Derek bewunderte ihre unerschütterliche Anmut.
Vielleicht mochte sie Lundy wirklich, aber sie verdiente etwas Besseres. Bei Gott, das tat sie.
Zumindest verdiente sie es, von ihm besser behandelt zu werden.
Als der Pianist und seine Begleitung die Sonate beendet hat-teil, applaudierte Derek genauso höflich wie der Rest des Publikums. Den Gästen wurde nun eine Pause gewährt. Mit scharfem Blick bemerkte er, wie Lundy sich von seinem Platz neben Miss Balfour erhob und zu Lord Fallow ging. Als er Miss Balfour allein mit ihrer liebenswürdigen Anstandsdame sah, wandte Derek sich an Mrs.
Coates.
„Würdest du mich bitte entschuldigen, Liebes?"
„Willst du mich schon verlassen?", murmelte sie.
Er küsste ihr die Hand. „Ganz im Gegenteil. Aber - ich fürchte, meine Worte vorhin könnten die junge Miss Balfour beleidigt haben."
„Wirklich?"
Er nickte ernst. „Ich möchte nicht, dass es zwischen uns irgendeinen Missklang gibt, da ich mit ihrem zukünftigen Ehemann zu tun habe. Ich werde kurz mit ihr und
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