058 - Sub Sisco
nicht die Stimme. Da Rayy körperlich überlegen war, nutzte sie lieber scharfe Worte, um ihn zu verletzen. »Es ist der Hang zur Selbstsucht, der deinem Volk den Weg zur Macht versperrt«, stichelte sie. »Eure Clans sind so streitsüchtig, dass sie nicht mal untereinander Frieden halten können. Wo immer Steppenreiter aufeinander treffen und keine Beute in Sicht ist, schlagen sie sich bald gegenseitig den Schädel ein.«
»Halts Maul, Bluthexe!«, brauste der Barbar auf, vor allem weil er wusste, wie Recht sie hatte. »Du wirst nur wegen deiner scharfen Augen geduldet, vergiss das nicht! Falls du noch einmal so versagst wie letzte Nacht, scheuche ich dich genauso durch die Mittagshitze, wie es die Faama mit uns getan haben.«
»Wir sind nur geschnappt worden, weil du dich an diesem Mädchen vergriffen hast«, begehrte die Nosfera auf.
Rayy antwortete mit einem dreckigen Lachen. »War es vielleicht meine Schuld, dass sie noch so spät durch die Gassen gehuscht ist? Ihr brünstiger Geruch hat mich verrückt gemacht, und hättest du ihr den Mund zugehalten, wie ich dir befohlen habe, so hätte auch niemand ihre Schreie gehört.«
Typisch Steppenreiter. Niemals die Schuld bei sich selber suchen. Blair sparte sich die Mühe, auf den Widersinn in Rayys Worten hinzuweisen. Stattdessen antwortete sie schnippisch: »Ich konnte ja nicht ahnen, dass du nicht mal Manns genug bist, mit einer Halbwüchsigen fertig zu werden.«
Die Worte trafen den Barbaren bis ins Mark.
»Was sagst du da, verdammte Hexe?« Wütend wollte er die Nosfera zur Raison zu bringen, doch sie entwich seinen zupackenden Händen und schwang sich auf den Rücken des Frekkeuschers. Obwohl Blairs Gesicht im Schlagschatten der Kapuze verborgen blieb, schien sie höhnisch in die Tiefe zu blicken.
»Schluss mit den Albernheiten«, wies sie den Barbaren zurecht. »Wir müssen zurück zum Clan, bevor die Faama Verstärkung holen.«
Rayy zuckte zusammen wie unter einem Peitschenhieb. Das listige Weibsstück sprach die Wahrheit. Jetzt war nicht die Zeit für Rachegelüste. Sie mussten zusammenhalten. Vorläufig zumindest.
Mit nervösen Blicken vergewisserte er sich, dass sie noch allein auf weiter Flur waren.
Außer den fliegenden Käfern, die am Horizont verschwanden, ließ sich keine Seele entdecken. Zufrieden schwang er sich hinter Blair in den Sattel, doch als sie den Frekkeuscher um die Hand nehmen wollte, griff Rayy ihr in die Zügel.
»Unser Befehl lautet, lohnende Beute für den Clan auszukundschaften«, erinnerte er die Nosfera. »Wir reiten nach Norden, den drei Schamanen hinterher. Wenn es jemanden gibt, der das Geheimnis von Sisco lüften kann, dann sie!«
***
Die Türme von Sisco, 2486
Clay stellte enttäuscht fest, dass der Atemvorrat auf zwei Drittel des Innenraums geschrumpft war, beinahe so, als ob sich die Luft in der Truhe vor dem eindringenden Wasser zurückziehen würde. Der Platz reichte aber noch aus, um den Kopf ins Trockene zu heben.
Piar erwartete ihn bereits mit einem schalkhaften Lachen. »Erster!«, verkündete sie stolz.
Clay gab ein prustendes Geräusch von sich. Nicht nur, weil er seine Verachtung ausdrücken wollte, sondern auch, um das Wasser auszuspucken, das ihm beim übereilten Abtauchen in den Mund geraten war. Zufrieden registrierte er, dass Piar die Augen zukneifen musste, um sich vor den Spritzern zu schützen.
»Altes Ekel«, schimpfte sie, und verpasste ihm unter Wasser einen Knuff auf den Oberarm. Ehe er sich dafür revanchieren konnte, paddelte sie näher und hauchte ihm einen unverhofften Kuss auf die Lippen. »Nichtschmollen«, bat sie. »Es sollte nur ein kleiner Spaß sein. Ich weiß doch, wie viel dir diese Idee bedeutet.«
Da sie sich nur mit strampelnden Beinbewegungen auf der Stelle halten konnte, kam sie ihm näher als beabsichtigt. Ihre festen Brüste schmiegten sich angenehm weich gegen seinen Körper. Warmer Atem streifte ihn am Hals und brachte sein Blut in Wallung. Ehe sie zurückweichen konnte, umfasste er sie mit beiden Armen.
»Ich wusste schon, wie du diese Frechheit gutmachen könntest«, verkündete er mit einem Augenzwinkern.
»Bis du irre?« Mit einer schnellen Bewegung befreite sie sich aus dem sanften Griff.
»Mein Vater hockt da oben und wundert sich bestimmt schon, was wir hier drinnen so lange treiben.« Sie paddelte so hastig zurück, das sie mit dem Hinterkopf gegen die Truhe knallte. Darauf kam sie mit den Beinbewegungen aus dem Takt und musste Wasser schlucken. Hustend
Weitere Kostenlose Bücher