0581 - Die Geistermutanten
sicher, ob Onrain überhaupt schon eine bleibende Unterkunft gefunden hatte. War das nicht der Fall, dann würde er in den Hotelverzeichnissen nachsehen müssen. Seine Sorge war unbegründet. Er hatte die letzte Taste kaum losgelassen, da erschienen auf dem Bildschirm Onrains Anschrift und Rufkode.
Sozusagen im Vorübergehen konnte Savrin nicht umhin zu bemerken, daß sein Assistent sich in einem der teuersten Appartementhotels einquartiert hatte.
Er tippte den Rufkode. Die Anschrift erlosch, und während er wartete, blinkten die acht Ziffern und Buchstaben des Kodes in leuchtend roten Lettern auf der Mattscheibe. Schließlich erschien ein großes, grünes A- das Zeichen dafür, daß die Verbindung hergestellt sei und der Angerufene zur Annahme des Rufes bereit war.
„Onrain - hier spricht Savrin", meldete sich der Wissenschaftler.
„Sind Sie zu sprechen?"
Das Averschwand. Onrains Gesicht erschien auf dem Bildschirm. Er machte nicht den unordentlichen, verschlafenen Eindruck, den Leute gewöhnlich vermitteln, wenn sie mitten in der Nacht aus dem Bett geholt werden. Er trug eine sogenannte Freizeitbluse und sah aus wie ein Mann, der soeben einen Spaziergang unternehmen wollte.
„Selbstverständlich bin ich zu sprechen", lächelte er. „Für Sie immer, Chef!"
„Ausgezeichnet", entgegnete Savrin. „Ich weiß nicht, ob man Sie über meine Eigenheiten schon belehrt hat, aber eine davon ist, daß ich sehr früh aufstehe und einen Teil meiner Probleme in der Zeit löse, während andere Leute am tiefsten schlafen."
„Da sind wir seelenverwandt", antwortete Onrain gemütlich. „Ich schlafe selten länger als bis vier Uhr. Meistens bin ich gegen drei schon auf den Beinen."
„Sie erleichtern mir das Herz", seufzte Savrin, und seine Erleichterung war keineswegs gespielt. „Ich hatte nämlich die Absicht, Sie zu mir zu bitten und einige wichtige Dinge mit Ihnen zu besprechen. Dabei können wir frühstücken und später dann gemeinsam zum Amt fahren. Verstehen Sie mich recht: Es handelt sich um eine Bitte, keineswegs um..."
„Ich verstehe", unterbrach ihn Onrain. „Haben Sie keine Angst, daß ich mich in meiner privaten Freiheit beeinträchtigt fühle. Ich komme gern. Geben Sie mir Ihre Adresse, damit mein Autopilot sich zurechtfindet, und dann..."
Savrin gab ihm die Anschrift. Dann unterbrach er die Verbindung. Er wirbelte auf dem Drehstuhl herum und musterte Rock Looman mit triumphierendem Blick. Looman nickte nachlässig.
„Nicht schlecht, alter Mann."
Gegen vier Uhr zehn traf Onrain ein. Inzwischen hatte Rock Looman sich ins Wohnzimmer zurückgezogen, da die Unterredung zwischen Savrin und Onrain im Arbeitsraum des Wissenschaftlers stattfinden sollte. Die Verbindungstür zwischen den beiden Zimmern war bis auf einen winzigen Spalt geschlossen. Looman hatte erklärt, er wünsche erst dann zu erscheinen, wenn Onrain es sich schon bequem gemacht hatte.
Anscheinend lag ihm daran, sich erst zu vergewissern, daß Savrins Assistent wirklich unbefangen war und keinen Verdacht geschöpft hatte. Bis dahin sollte Savrin ihn unterhalten.
Savrin tat, wie ihm geheißen war. Er führte Onrain vom Flur ins Arbeitszimmer. Er bot Getränke an, die Onrain jedoch dankend ablehnte. Dann begann er: „Obwohl Sie ebenso wie ich Frühaufsteher sind, müssen Sie meine Einladung doch als ungewöhnlich und... nun, sagen wir, merkwürdig empfinden." Onrain wollte versichern, daß dies keineswegs der Fall sei, aber Savrin winkte ab und ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Das ist ganz natürlich, und glauben Sie mir: Ich bin nicht so verschroben, daß ich Sie hierher gebeten hatte, ohne einen wirklich zwingenden Grund zu haben." Er machte eine Pause, sah Onrain offen an und fuhr fort: „Seit Ihrem ersten Auftauchen haben sich einige Dinge ereignet, die mich im höchsten Maße verwirren. Ich möchte mit Ihnen darüber sprechen."
Onrain machte den Eindruck eines Mannes, der begierig war zu hören, was Savrin auf dem Herzen hatte. Savrin kam sofort zur Sache.
„Erstens erlitt ich gestern einen etwa achtstündigen Gedächtnisschwund. Mit anderen Worten: Ich erinnere mich an nichts, das sich zwischen Ihrer Vorstellung in meinem Büro und vier Uhr nachmittags ereignete. Mein Gehirn ist, was diese Zeitspanne angeht, völlig blank gewischt. Zweitens machte ich, als ich kurze Zeit später zum Rechenzentrum hinabfuhr, eine merkwürdige Beobachtung. Für einige Sekunden sah ich einen Roboter, der einen Tragekorb hatte und in dem Korb
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