0582 - Die Mutantenfänger
irgendwohin und sah sich um.
„Hier bin ich an der richtigen Stelle!" sagte er leise. Er musterte das Mädchen, das in unnatürlich verkrampfter Haltung an der Tür lehnte. Der Fremde befand sich mit zwei anderen Personen und seinen drei Freunden in einer kleinen, aber hochmodern ausgestatteten Privatklinik. Der Inhaber und verantwortliche Arzt war Wissenschaftler, auf seinem Gebiet eine Kapazität.
Er war noch nicht sehr alt, aber er behandelte grundsätzlich nur nach Anmeldung und langer vorheriger Konsultation; unter Betroffenen galt er als Geheimtip für aussichtslose Fälle.
Langsam, als trüge er bleierne Gewichte an allen Gliedern, schleppte sich Gianni Degosciu in den angrenzenden Raum. In seinem Büro trafen die beiden Männer aufeinander, inmitten von summenden Robotgeräten der verschiedensten Art.
Gianni Degosciu sprach wie ein Automat.
„Was wollen Sie von mir?"
Der Fremde nahm die dunkle Brille ab. Er wußte, daß sich die Personen dieses Hauses unter der Kontrolle seiner Freunde befanden. Sie gingen das Risiko, noch einmal beinahe gefunden zu werden, nicht mehr ein. Ein Alarm oder ein Verrat war unmöglich; selbst Ribald Corello und Alaska Saedelaere wurden in diesem Augenblick schärfstens überwacht.
„Sehen Sie mich an!" meinte der Fremde hölzern.
Das Fachgebiet des Arztes war die Auffrischung von erschlafftem Zellgewebe; manche Frauen und, wie man munkelte, auch hochgestellte Persönlichkeiten männlichen Geschlechtes zahlten horrende Preise und unterzogen sich langwierigen Operationen. Gianni verpflanzte Glieder und Organe, betrieb plastische Kosmetik und kosmetische Plastik, beseitigte die Spuren von Unfällen und alle anderen einschlägigen medizinischen Eingriffe. Er blickte den Fremden genau an und erschrak ebenso wie seine Tochter.
Die Haut des Fremden war rissig und aufgedunsen. Die Haut einer Wasserleiche, dachte Gianni, aber er konnte nichts tun, um sich irgendwie zu wehren oder abwehrend zu verhalten. Die Diagnoserobots summten angestrengt, und ihre Fühler streckten sich aus.
Die Haut war blutunterlaufen; viele kleine Gefäße waren geplatzt. Über manchen Rissen klebten kleine Verbandsstreifen.
Die Haut roch wie nach Verwesung, wie nach Wundbrand. Überall ging das Haar aus. Auf dem Kopf zeigten sich daumennagelgroße kahle Stellen, die weiß und schwammig wirkten. Die Augen waren blutunterlaufen, die Lippen zitterten, die Zähne wackelten, wenn beim Sprechen die Zunge des Mannes dagegen stieß.
„Ich sehe einen Körper im Stadium des Zerfalls", formulierte Gianni langsam. Er ging zwei Schritte näher an den Eindringling heran.
„Das sehen Sie richtig", murmelte der Fremde. „Helfen sie mir!"
Ein kugelförmiger Robot, etwa sechzig Zentimeter durchmessend, schwebte durch eine eigens dafür geschaffene Öffnung ins Zimmer.
„Ihr Name?" schnurrte er.
Der Fremde beachtete ihn nicht und sah aus trüben Augen den Arzt verzweifelt an.
„Ich weiß nicht, ob ich Ihnen helfen kann... und wie ich es kann!" sagte Gianni. Er meinte es absolut ehrlich.
„Ihr Name, mein Herr?" fragte beharrlich der Anmelderobot.
Der Mann suchte offensichtlich Hilfe, dazu brauchte Gianni nicht einmal mehr einen Blick auf die Haut zu werfen. Wenn schon die Epidermis so aussah, dann waren die inneren Organe ebenfalls betroffen, denn das Aussehen der Haut kam nicht isoliert von irgendeiner Krankheit.
„Helfen Sie mir!" drängte der Fremde. Seine Stimme war lauter geworden und forderte jetzt. Auch die Stimmbänder hatten gelitten, registrierte der Mediziner.
„Bitte Ihren Namen, mein Herr!" forderte der Roboter den Fremden auf. Er fuhr eine Linse, ein Mikrophon und einen Lautsprecher aus. Der Lautsprecher knackte aufgeregt.
Der Mediziner betrachtete gefesselt und mit fachlichem Interesse das alte, fast zersetzte Gesicht.
„Aber...", sagte er. „Der modernen Wissenschaft des Jahres dreieinhalbtausend sind solche Erscheinungen völlig unbekannt!"
„Das habe ich geahnt!" sagte der Eindringling und begann zu zittern. „Helfen Sie mir! Versuchen Sie, meinen Tod hinauszuzögern! Tun Sie, was Sie können!"
Der Wissenschaftler nickte und versuchte, ein beruhigendes Gesicht zu machen. Wann hatte er zum letzten Mal ein solches Hautgewebe gesehen? Er konnte sich erinnern, es mit wissenschaftlicher Gründlichkeit studiert zu haben... jetzt wußte er es wieder: In der Pathologie, wo sie unter der Leitung eines berühmten Mediziners künstliches Zellgewebe betrachtet und seziert
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