0583 - Drachen-Jäger
dennoch gestürzt, wenn der Jungdrache sie nicht blitzschnell festgehalten hätte.
»Vorsicht«, warnte er sie einen Augenblick zu spät. »Da geht's ziemlich steil abwärts.«
»Das habe ich gemerkt«, keuchte Nicole erschrocken. »Danke, Kleiner!«
»Ooch, nicht der Rede wert. Ich wäre einfach hinter dir hergeflogen und hätte dich noch rechtzeitig abgefangen, Mademoiselle Nicole.«
Sie hob die Augenbrauen.
Der Dhyarra-Kristall war verloschen, weil sie durch den Beinahe-Sturz aus der Konzentration gerissen worden war. Sie ›zündete‹ das Licht erneut und betrachtete ihre Umgebung.
An dieser Stelle war der Berghang wesentlich steiler, aber immerhin relativ dicht bewachsen, was den großen Höhleneingang nach außen hin tarnte. Der Steilhang war äußerst unwegsam und verleitete deshalb wohl niemanden zu einer Kletterpartie, für den Normalbürger war das auch zu anstrengend, für ›richtige‹ Bergsteiger wiederum zu leicht.
So war der Höhleneingang hinter dem Strauchwerk und den niedrigen Bäumen unentdeckt geblieben.
»Hier bin ich 'rausgekommen«, erinnerte sich Fooly. »Ich bin ein Stück geflogen und dann schließlich gelaufen, bis ich irgendwo unten auf einer Straße beinahe von Butler William überfahren worden wäre. Wenn ich nicht so schnell in den Graben gesprungen wäre…« [2]
Wenn William nicht so schnell hätte bremsen können… korrigierte Nicole in Gedanken. Aber das spielte hier und jetzt keine Rolle mehr.
Nachdenklich sah sie Fooly an, dann wieder die nächtliche Umgebung.
»Wieso hast du dich nicht früher daran erinnert? Ist dir eigentlich klar, was diese Entdeckung bedeutet? Das hier ist…« Sie unterbrach sich. Die Regenbogenblumen waren verwelkt, abgestorben, nunmehr auch noch verbrannt. »… war eine direkte Verbindung zum Drachenland. Eine, die du auch hättest benutzen können.«
»Du weißt genau, daß ich nicht ins Drachenland zurückkann, ehe ich erwachsen bin!« Fooly stampfte auf, ein paar kleine Steine und etwas regenfeuchte Erde lösten sich und rutschten in die Tiefe. »Und wenn ich erwachsen bin, werde ich durch eure eng zusammenstehenden Regenbogenblumen nicht mehr hindurchpassen.«
»Eben drum«, erklärte Nicole. »Hier waren die magischen Pflanzen groß genug und hatten auch genügend Abstand voneinander.«
»Man kann ja neue Blumen pflanzen«, schlug Fooly vor. »Wenn ich groß bin, sind sie es auch.«
»Die künstliche Sonne ist aber zerstört. Wenn wir früher davon gewußt hätten, hätten wir vielleicht etwas tun können, um sie vor dem Erlöschen zu bewahren.«
»Und wie?«
Da mußte Nicole passen. Sie wußten ja nicht mal, was diese künstlichen Mini-Sonnen dermaßen lange am Brennen hielt, geschweige denn, weshalb sie frei in der Luft schwebten, der Schwerkraft zum Trotz. Wie sollten sie da eine Möglichkeit finden, die Brenndauer zu verlängern?
Vielleicht, durchfuhr sie ein ketzerischer Gedanke, sollten wir die Unsichtbaren fragen. Die haben die Regenbogenblumen doch schon lange vor uns benutzt. Sie pflanzen sie auch hier und da an. Vielleicht können sie uns da mehr über diese Sonnen verraten.
Aber auch das war illusorisch. Bisher war jede Begegnung mit den Unsichtbaren feindlich verlaufen und endete mit Kampf und Tod, und Nicole befürchtete, daß sich daran auch in naher Zukunft kaum etwas änderte.
Sie wandte sich um. »Gehen wir zurück. Hier können wir nicht 'runter.«
»Doch!« behauptete Fooly. »Wir flie… auch nein, du kannst ja nicht fliegen. Obwohl - es wäre jetzt auf jeden Fall besser. Ich weiß nämlich nicht mehr, durch welche der Nebenhöhlen wir gekommen sind.«
»Durch die, in der der tote Drache liegt.«
»An dem will ich aber nicht wieder vorbei«, ächzte Fooly Und dann breitete er die Schwingen aus, ließ sich einfach nach vorn fallen.
Er plumpste wie ein Stein in die Tiefe - aber dann sah Nicole ihn als dunklen Schatten im Sternenlicht davonfliegen.
Seufzend wandte sie sich ab und kehrte in das Höhlensystem zurück.
***
Zamorra hatte es schließlich aufgegeben, Nicole telefonisch erreichen zu wollen. Gerade wollte er das Arbeitszimmer wieder verlassen, da trat nach kurzem Anklopfen Raffael Bois ein.
»Monsieur, haben vielleicht Sie das Schwert an sich genommen, das ich vorhin in jener Nische abstellte?«
Von einem Schwert wußte Zamorra nichts!
Aber er entsann sich, daß Raffael wirklich etwas abgestellt hatte, als er mit Sparks den Korridor entlang gekommen war. Er hatte sich nur nichts dabei
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