0587 - Mumien in Moskau
Es geht um verdammt viel, da wäre Rücksicht fehl.«
Er enthielt sich einer Antwort. Der Wagen stand so günstig, daß die anderen Fahrzeuge ihn ohne Schwierigkeiten passieren konnten.
Darauf baute ich.
Vier beladene Lastwagen donnerten vorbei. Staubwolken wirbelten an uns vorbei. Zwei Fahrer winkten durch die herabgekurbelten Seitenscheiben wütend, weil der Platz doch etwas schmal geworden war.
Da versuchte es Selim.
Ich bekam den rechten Arm nicht schnell genug zur Seite. Er hatte gedankenschnell den Fuß angehoben und die Beretta erwischt. Der Tritt schleuderte sie mir zwar nicht aus der Hand, aber die zweite Attacke warf mich bis in den Graben zurück, wo ich umknickte und nach hinten fiel.
Selim sprang vor.
Er kam aus der Staubwolke, sein Gesicht war verzerrt. In der rechten Hand hielt er ein schmales Messer.
Mit einem Tritt drosch ich ihn zurück. Dann wuchtete ich mich aus dem Graben.
Durch Weglaufen hätte es Selim vielleicht geschafft, aber er wollte in den Wagen.
Als er sprang, erwischte ich ihn. Ich hämmerte ihm meine Hand in den Rücken und krallte mich im Hemdstoff fest. Mit einer wuchtigen Bewegung zerrte ich ihn zurück und duckte mich blitzartig, als er zu einem Rundschlag ausholte.
Wie ein Blitz flirrte die Klinge über meinen Kopf hinweg. Ich hämmerte ihm die Faust in die Achselhöhle, er kippte wieder nach hinten und spie aus.
Dann tauchte meine Waffe übergroß vor seinem Gesicht auf. Genau und zielsicher geschlagen, schickte sie ihn in das dunkle Reich der Bewußtlosigkeit.
Vor der offenstehenden Fahrertür sackte er zusammen. Ich nahm ihm das Messer ab und schleuderte es in das Feld. Dann zerrte ich den schlaffen Körper hoch und verstaute ihn im Fahrerhaus. Auf der zweiten Sitzhälfte der Bank blieb er hocken.
Ich wischte Schweiß von der Stirn und enterte ebenfalls den Wagen. Mein Ziel stand fest. Es war das zu einem Hotel umgebaute Kloster. Nur kannte ich den Weg nicht.
Aber man würde ihn mir sagen können. Da ich ein paar Brocken Russisch sprach, konnte ich mich einigermaßen verständlich machen. Nach ungefähr zwei Kilometern erreichte ich eine dorfartige Ansiedlung, wo ich stoppte und mich bei zwei Jugendlichen nach dem Weg erkundigte.
»Das ist weit«, sagte der eine.
»Trotzdem, ich will hin.«
Sie erklärten mir den Weg mit langsam gesprochenen Worten und nannten auch markante Punkte, die ich passieren mußte.
Alles einprägen konnte ich mir auf die schnelle nicht, deshalb machte ich mir Notizen.
Den Jungs gab ich für ihre Mühe eine Pfundnote, über die sie sich königlich freuten.
Dann hielt mich nichts mehr auf. Auch Selim nicht, der würde in den nächsten beiden Stunden hoffentlich nicht aufwachen…
***
Chicky Munich wußte nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Zu unglaublich war die Geschichte, die ihr Jade berichtet hatte, immer wieder unterbrochen von einem starken Zittern oder einem trockenen Schluchzen. Daß die beiden Mumien in der Nähe sein sollten, war für Chicky fast ein Ding der Unmöglichkeit.
»Wie sollen sie denn hergekommen sein?« fragte sie schließlich.
»Das weiß ich doch nicht, verdammt!«
»Schrei nicht so!«
»Du hast gut reden!« Jade erhob sich und starrte aus dem Fenster in den Garten des Hotels. »Du hast es nicht erlebt, das war schlimm, das war ein Schock…«
»Und die Mumie konnte schwimmen?«
»Klar.«
Chicky holte tief Luft. Obwohl sie es nicht mehr tun wollte, sie griff trotzdem zu einer Zigarette. Jade drehte sich um, als sie das Schnacken des Feuerzeugs hörte. »Dann war da noch der Hund, der so komisch aussah. Ein Hund und trotzdem keiner. Viel schlanker und gestreckter, richtig ungewöhnlich.«
»Das müßtest du melden.«
»Habe ich mir auch überlegt. Aber wer von den Leuten hätte mir denn geglaubt?«
»Keine Ahnung. Vielleicht SBB?«
»Ach, der spinnt doch. Hat nur Mode und Fotos im Hirn. Mit dem kannst du keine ernsthaften Gespräche führen.« Jade war ziemlich sauer, als sie sich in einen der beiden Korbsessel setzte. Die Einrichtung des Zimmers war nicht mondän gehalten, eher zweckmäßig.
Das breite Bett besaß ein Gestell aus Rattan. Die Sessel paßten sich dem an. Der Schrank, das Bad, die kleine Küche, der Schreibtisch nahe des Fensters und die Größe des Zimmers hatten die Mädchen beeindruckt, die nicht darauf gefaßt waren, so etwas vorzufinden.
Dabei übernachteten sie oft genug in teuren Hotels und waren manchmal sauer über die kleinen, aber teuren Zimmer gewesen.
Als Oase
Weitere Kostenlose Bücher