059 - Der Folterknecht
kommen. Gezeichnet war der Brief, den mir ein Kurier überbrachte, von Großinquisitor Jakob Sprenger.
Ich machte mich sofort auf den Weg.
Ich wohnte im Haus der Witwe Mengerdorf, die ich vor den Augen der Inquisitoren selbst gerichtet hatte. Das Haus war mir aus Dank für meine Verdienste zugesprochen worden. Damals – vor zwei Jahren – hatte man in einer großangelegten Aktion insgesamt dreiundachtzig Opfer dieses Vampirs aufgestöbert und gepfählt. Aus Rücksicht auf die verängstigte Öffentlichkeit wurden diese Vorgänge jedoch nicht aktenkundig. Außerdem waren noch weitere verdächtige Personen verhaftet, eingesperrt und teilweise auch hingerichtet worden, so daß Konstanz jetzt eine von Dämonen gesäuberte Stadt war.
Gleich nach meiner Ankunft erkundigte ich mich nach dem Großinquisitor, erfuhr jedoch zu meinem Bedauern, daß sich sein Eintreffen etwas verzögert hätte. Dafür wurde mir bereits ein in Köln gedrucktes Exemplar des Hexenhammers überreicht. Als ich mich in die Lektüre vertiefte, war ich jedoch sehr enttäuscht. Die beiden Großinquisitoren hatten zwar die von uns gemeinsam ausgearbeiteten sechsundneunzig Fragen fast unverändert übernommen, doch es fehlten die Zusätze, die das Erkennen von Dämonen erleichtern sollten. Ohne diese Hinweise konnte der Hexenhammer nur allzu leicht falsch interpretiert und mißbraucht werden.
Sehnsüchtig wartete ich auf Jakob Sprengers Eintreffen, ließ aber die Wartezeit nicht ungenützt verstreichen. Ich stellte Nachforschungen an und hörte mich auf den Empfängen und Festen, zu denen mich die Adeligen und Reichen einluden, um.
Am zweiten Tag meines Aufenthalts in Konstanz führte mich mein Weg auch zufällig Zum heiligen khindlein vorbei. Ich war zu einem Empfang im Schloß der Gräfin Cäcilia Schwandt von Baunach geladen, jedoch noch etwas früh dran. Da es mich interessierte, was nach dem Tod von Hans Stiecher und dessen Frau – deren Grab man geöffnet hatte und die man mit einem Pflock von ihrem untoten Dasein erlöste – nun für Leute den Gasthof führten, betrat ich die Schankstube. Ich war freudig überrascht, Brunhilde anzutreffen.
„Hast du es dir doch anders überlegt und bist hiergeblieben?“ fragte ich.
„Ich bin die Wirtin“, erklärte sie. „Ich habe geheiratet. Euer Gnaden kennen meinen Mann. Wenn Ihr ihn aufsuchen wollt, er ist im Stall.“
Ich gestehe meine Neugierde freimütig ein, die mich sofort in den Stall hinaustrieb, aber dort fand ich nur Equinus vor. Auch er war sichtlich erfreut über meinen Besuch und leckte mir wie ein treuer Hund die Hände ab.
„Ihr sollt heilig gesprochen werden, Euer Gnaden“, sagte er in seiner kaum verständlichen Art.
„Was Ihr für die Menschen tut, muß Euch im Himmel gelohnt werden. Ich bin Euch ein treuer Diener, weil ich die Dämonen hasse. Fahret fort, Euer Gnaden, und befreit die christliche Menschheit von dieser Geißel!“
„Schon gut, Equinus. Ich suche den Wirt. Wo ist er?“
„Ich bin der Wirt“, sagte Equinus.
Ich stürzte davon. Es sah wie eine Flucht aus. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, daß ein so hübsches Mädchen wie Brunhilde das Lager mit solch einem Ungeheuer teilte.
Sie schien meine Gedanken zu erraten, als ich mit wehendem Umhang durch die Schankstube eilte. Denn als sie mir die Tür öffnete, sagte sie: „Verdammt mich nicht, Euer Gnaden, und auch nicht Equinus! Er besitzt ein abstoßendes Äußeres aber im Herzen ist er gut.“
Während des Festes auf dem Schloß der Gräfin Cäcilia wurde mir auch Heinrich Cornelius Mudt von Gilding vorgestellt. Dieser Name stand auf meiner Liste der verdächtigen Personen weit oben. Eustache, der in meinem Auftrag in Konstanz lebte und sich in den letzten beiden Jahren als ausgekochter Hexenjäger entpuppt hatte, besorgte mir die Unterlagen über Cornelius Mudt.
Mudt hielt sich erst seit zwei Monaten in Konstanz auf, hatte aber bereits in dieser kurzen Zeit Zugang zu den Herzen der Damen der Gesellschaft gefunden. Er war ein großartiger Erzähler und Herzensbrecher. Was man an ihm so wohltuend vermißte, war die Geziertheit der anderen Edelleute seines Alters. Das heißt, bei ihm von Alter zu sprechen, war absurd, denn sein Alter war ihm nicht anzusehen. Er konnte fünfundzwanzig oder auch vierzig sein. Er besaß den Esprit der Jugend, aber auch die Erfahrung des Alters. In der Männerwelt war er verständlicherweise weniger beliebt, und so war es nicht
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