059 - Der Preller
es nur einem außergewöhnlichen Menschen gezollt wird. Bei allen wichtigeren Rennen war er zugegen, brachte aber seine Wetten selten auf den Rennplätzen selbst an. Nicht allein war er, wie Anthony erwähnt hatte, Besitzer der Buchmacherfirma Mackintosh & Grimstead, sondern besaß auch zahlreiche kleinere Firmen, die Rennwetten auf Kredit annahmen. Aus allen seinen Unternehmungen heimste er ansehnliche Reingewinne ein. Gerade die Mannigfaltigkeit seiner Geschäfte trug dazu bei, ihm das Ansehen, das er genoß, zu verleihen.
Eines Abends wartete er im Manchester Grand Hotel mit seinem stetigen Bewunderer Stinie Moss aufs Essen. Sie schienen einen dritten Teilnehmer zu erwarten, denn Limmerburg zog hin und wieder ungeduldig seine kostbare Uhr. Vor etwa drei Wochen hatte sich der Preller den Plan zurechtgelegt, Mr. Limmerburg ein wenig zu ›prellen‹. Das künftige Opfer war in bester Stimmung.
»Nun, was meinte denn Billy?« fragte er, zum fünftenmal auf seine Uhr blickend.
»Über was denn? Ach so, wegen Billy Boy, wie?«
Limmerburg nickte, und sein Tischgenosse strahlte über das ganze Gesicht.
»Billy Boy?« fragte Stinie verächtlich. »Der Gaul könnte noch mit einer Schildkröte ein Rennen aufnehmen. Du kannst mir's glauben, Michael, dein neuer Freund ist der größte Idiot, der mir jemals vorgekommen ist.«
Tadelnd winkte Limmerburg ab.
»Diesen Ausdruck darfst du niemals gebrauchen, Stinie, mein Junge«, rügte er. »Die Herren, die mit mir verkehren, sind niemals Idioten, merk dir das. Ganz besonders trifft dies auf meinen jungen Freund, Mr. Cannes, zu.« Beide lachten herzlich.
»Warum aber, um Gottes willen, hat er denn überhaupt Billy Boy gekauft, Mike?« erkundigte sich Mr. Moss neugierig. »Beim letzten Rennen, das der Gaul mitmachte, war er doch unter den ›Ferner liefen‹?« »Ich habe Mr. Cannes zugeredet, das Pferd zu kaufen«, gab Mike Limmerburg zu.
»Und das Geld dazu? Wo hat er das her? Ist es nicht eine Gemeinheit, daß Leute wie er soviel Geld haben, während Kluge, wie wir es sind, immer mit leeren Taschen herumlaufen müssen?«
»Sein Vater in Argentinien scheint sehr reich zu sein«, gab ihm sein Gastgeber Auskunft. »Als er mit mir in Geschäftsverbindung trat, brachte er einen Bankauszug mit, der für fünfzigtausend Pfund gut war.«
»Warum aber einen Gaul wie Billy Boy kaufen? Nicht einen Penny ist er wert. Er hat ein einziges Rennen gewonnen, aber nur weil er gedopt worden war.«
»Pst, Cannes kommt«, flüsterte Limmerburg.
Ein elegant gekleideter, nett aussehender junger Mann schritt auf die beiden Wartenden zu und begrüßte Limmerburg.
»Darf ich Ihnen meinen Freund vorstellen?« fragte der Buchmacher mit einer Geste auf Stinie.
»Servus, Freundchen«, rief Cannes leutselig. »Jeder, der Limmerburgs Freund ist, ist auch der meine.«
»Haben Sie sich die Sache mit Billy Boy schon überlegt«, erkundigte sich Limmerburg, als der junge Mann Platz genommen hatte.
Überrascht starrte ihn Cannes an:
»Billy Boys wegen? Nein. Er befindet sich ja, wie Sie wissen, beim Trainer, und wie mir dieser mitteilte, benimmt er sich recht nett.«
»Hm. Wenn Sie wirklich glauben, daß der Gaul gut ist, würde ich Ihnen raten, auf ihn am Samstag zu setzen.«
»Samstag? Ach ja, es ist ja ein Verlosungsrennen. Glauben Sie, daß er Chancen hat?«
»So gewiß wie das Amen im Gebet. Ich glaube, die anderen Renner werden gegen ihn überhaupt nicht in Frage kommen.«
Nachdenklich kratzte sich der glückliche Besitzer des Wunderpferdes an der Stirn: »Na, na, übertreiben Sie nur nicht. Ich habe die Starterliste nachgesehen, und - verdammt noch einmal - es sind wirklich gute Gäule genannt.« Mr. Cannes schien es zu ergötzen, wenn er seine Sätze mit Flüchen bekräftigen konnte.
»Ach was, die Starterliste will gar nichts besagen«, beruhigte ihn der Buchmacher. »Mit zwei Längen wird er vor den anderen durchs Ziel gehen. Sie wissen ja gar nicht, was für ein Wunderpferd Sie gekauft haben, Mr. Cannes.«
Der junge Mann strahlte.
»Ja, Sie haben recht. Als ich Billy Boy vorige Woche kaufte, sagte ich mir selbst, daß ich da einen verdammt guten Kauf gemacht hätte.«
Limmerburg mußte sich beherrschen, um nicht aufzulachen, aber laut stimmte er seinem Opfer zu. Nach wenigen Minuten beschäftigten sich die Herren mit dem Plan, den Cannes ausgearbeitet hatte, um die Buchmacher ein wenig von ihren überflüssigen Geldern zu erleichtern.
»Sie müssen vermeiden«, riet ihm Michael,
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