059 - Der Preller
Limmerburg war überrascht.
»Ganz und gar nicht. Ich wußte, daß er Letzter werden würde. Er ist es ja auch geworden, nicht wahr?«
Ein furchtbarer Gedanke tauchte in Limmerburg auf.
»Auf welches Pferd hatten Sie denn eigentlich gewettet?« fragte er, gespannt der Antwort harrend.
»Auf Year Book natürlich. Ich konnte viertausend Pfund auf ihn placieren«, gab Cannes, faunisch lächelnd, zurück. »Lauter verläßliche Buchmacherfirmen, Mr. Limmerburg; alles bei Leuten, die mit Ihnen arbeiten.«
Limmerburg schien einem Schlaganfall nahe zu sein.
»Erwarten Sie wirklich, daß Sie Ihre Gewinne ausbezahlt bekommen?« fragte er höhnisch, als er sich ein wenig von seinem Schrecken erholt hatte.
»Natürlich, was glauben Sie denn?« gab der junge Mann voller Vertrauen zurück. »Ich weiß, daß ich mein Geld bekomme, denn ich bin überzeugt, daß Sie kaum den Wunsch hegen werden, wieder vor dem JockeyklubAusschuß zu erscheinen. Wenigstens in den nächsten Jahren nicht.«
Mr. Limmerburg antwortete nicht, sondern schluckte nur krampfhaft.
Später am Tag beichtete er seinem Bundesgenossen Stinie.
»Moss«, jammerte er. »Wir sind behackt worden, und ich muß die Medizin schlucken, ob ich will oder nicht. Die beiden jungen« -, er gebrauchte eine nicht druckfähige Bezeichnung - »haben bestimmt zusammengearbeitet. Der eine hat bare fünfhundert Pfund ergaunert, und der andere, mein Gott, beinahe zwanzigtausend Pfund.«
»Warum aber willst du denn bezahlen?« wollte Stinie wissen.
»Sei doch kein Esel. Ich habe genug von dem einen Mal, wo mich die Ausschußmitglieder vor ihr Gericht zitierten. Ich habe zwei Jungens auf der Schule, und meine Frau soll nächste Woche der Königin vorgestellt werden. Wenn ich nur wüßte, wer die beiden Halunken sind.«
Er erfuhr es niemals. Der Preller hatte seine und Pauls Identität zu gut unter der Maske zweier Grünlinge verborgen.
Engster Wettbewerb und seine Folgen
Mrs. Millicent K. Yonker hieß die unmäßig reiche Dame, die 496 Fortman Square wohnte und das Palais des Earl von Brandsham gemietet hatte. Sie besaß einen großen Automobilpark, eine Loge in der Königlichen Oper und nannte alle die anderen Kleinigkeiten ihr eigen, die dazu dienen, das Leben einer Frau zu verschönen. Ihre Freunde kannten sie jedoch unter dem Namen ›Milwaukee Meg‹ als die beste Bauernfängerin, die je in den USA ihr Unwesen getrieben hatte. Sie war eine schlanke, recht ansehnliche junge Person mit hübschen, vielleicht etwas zu hellen Augen und reichem, rotgoldenem Haar.
Sie saß gerade in ihrem künstlerisch ausgestatteten Boudoir, als sich ein junger Mann bei ihr melden ließ. Mit sachverständigen Augen musterte er die wundervolle Perlenkette, die den schlanken Hals der Hausherrin umschloß, warf abschätzende Blicke auf die kostbaren Brillantringe, die ihre Finger schmückten, und musterte mit Kenneraugen die liebreizende Gestalt der Dame.
»Mr. Anthony Smith?« fragte sie. »Sie sind Berichterstatter des ›Daily Megaphone‹, nicht wahr?«
Sie sprach mit dem breiten amerikanischen Akzent. Der Besucher verbeugte sich, und Mrs. Yonker fuhr fort:
»Sie wollten mich wegen des Wohltätigkeitsbasars interviewen, den ich zu veranstalten beabsichtige?«
»Nein, eigentlich nicht. Es handelt sich mehr um Mr. Seton Kerriman, über den ich von Ihnen einige Auskünfte zu erhalten wünsche, Mrs. Yonker«, gab der Reporter zurück.
Falls er geglaubt hatte, die Dame würde bei Nennung des Namens erschrecken oder gar erblassen, so hatte er sich getäuscht. Sie beschränkte sich auf ein leichtes Stirnrunzeln.
»Mr. Seton Kerriman?« wiederholte sie nachdenklich. »Der Name klingt mir bekannt.«
»Es ist der Herr, der sich gestern im ›High Cross‹ Hotel erschoß«, half ihr Anthony Smith auf die Sprünge.
»Entsetzlich! Warum aber kommen Sie zu mir? Ich kenne ihn doch gar nicht.«
»Doch, ich glaube, ja. Darf ich mich setzen?«
Sie nickte zustimmend.
»Wie kommen Sie auf die Idee, daß mir der Mann bekannt war?« erkundigte sie sich.
»Weil ich weiß, daß er vor drei Tagen mit Ihnen speiste, und mir weiter bekannt ist, daß Sie vorige Woche mit ihm zusammen das Theater besuchten und er nur deshalb von Leicester nach London kam, um Ihnen, damit Sie schweigen, fünftausend Pfund in bar auf den Tisch zu zahlen.«
Wieder nur ein leichtes Stirnrunzeln.
»Damit ich schweige?« fragte Mrs. Yonker verwundert. »Das klingt recht romantisch.« Die Ironie war unverkennbar.
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