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059 - Der Preller

059 - Der Preller

Titel: 059 - Der Preller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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Ja gesprochen worden war, ließ ihn erkennen, daß sie die Unwahrheit sagte. Er eilte in seine Wohnung hinunter, um Paul von dem bevorstehenden Besuch der Ausgesperrten in Kenntnis zu setzen.
    »Du mußt mir helfen, sie zu unterhalten, Paul«, bat er. »Wie spät ist es denn eigentlich?«
    »Halb drei. Was willst du denn mit ihr anfangen?«
    Anthony wußte es selbst nicht und schüttelte ratlos den Kopf. Als er ins Wohnzimmer zurückkam - er hatte Paul mit dem Mädchen allein gelassen, um sich anzukleiden -, saß sein Gast auf der Chaiselongue und weinte. Es dauerte lange, bis Anthony das Mädchen beruhigt hatte. Sie war von nettem Äußeren, wenn auch die hübschen Augen jetzt vom Weinen gerötet waren. Endlich war sie so weit, daß sie von sich selbst sprechen konnte.
    »Meine Angehörigen wohnen auf dem Land«, sagte sie. »Vielleicht wäre es Ihnen morgen früh möglich, mir einige Kleidungsstücke zu besorgen und mir etwas Geld zu. leihen, damit ich .«
    »Natürlich, alles, was Sie brauchen«, unterbrach Anthony sie hastig. »Ich werde alles für Sie tun, was in meinen Kräften steht. Zu Ihrem ... Gatten wollen Sie wohl nicht zurück?«
    »Nie wieder! Wie dumm war ich doch, wie unsäglich dumm!«
    Die Lippen zitterten, und nur mit Aufbietung aller Kräfte konnte sie einen neuerlichen Tränenausbruch zurückhalten.
    »Wenn er ein anständiger Mensch wäre, würde ja alles halb so schlimm sein, aber er ist ein Lump, ein Schwindler, und ich, ich wußte es von Anfang an.«
    Anthonys Pupillen verengten sich. Er wiederholte:
    »Ein Schwindler ist er? Wen beschwindelt er denn?«
    Erst jetzt schien sie einzusehen, daß sie zuviel gesagt hatte, und zögerte mit der Antwort. Offenbar hatte sie noch allerlei auf dem Herzen, was sie nicht auszusprechen wagte.
    »Ich weiß nicht recht, was er treibt«, erklärte sie, »und würde ihn, auch wenn ich es wüßte, nicht verraten. Ich will nicht Gleiches mit Gleichem vergelten. Aber dieses Geschäft mit den Seidenstrümpfen wird ihm doch nicht so glatt gelingen.«
    Anthonys Interesse erwachte.
    »Seidenstrümpfe?« wiederholte er. »Ach so, Sie meinen ...?«
    Er unterbrach sich, um sie zum Sprechen zu veranlassen. Sie fiel aber nicht auf diesen Trick herein, sondern preßte ihre Lippen noch fester aufeinander. Kein Wort verriet sie weiter von den Plänen ihres ›Gatten‹.
    Am nächsten Morgen wurde er aus dem Dilemma, ihr Kleidungsstücke zu besorgen, befreit. Der Mann hatte so zeitig sein Zimmer verlassen, daß die Ausgesperrte sich hinaufschleichen und die verschlossene Tür mit einem Schlüssel öffnen konnte, den sie der Tasche ihres Nachtgewandes entnommen hatte.
    »Als er mich vor drei Wochen aussperrte«, meinte sie, »habe ich, um ähnlichen Fällen vorzubeugen, einen zweiten Korridorschlüssel machen lassen.«
    Anthony versah seinen Gast mit genügend Geld, damit sie zu den Eltern zurückfahren konnte. Er sah das Mädchen niemals wieder.
    Inzwischen hatte er sich nach dem Bewohner des dritten Stockwerks erkundigt. Es war wenig genug, was er erfuhr.
    »Er tätigt Gelegenheitskäufe«, berichtete er Paul. »Unter der Firma Bidder & Bidder. Er selbst heißt John Bidder, hat in Long Acre zwei Zimmer als Büros eingerichtet und inseriert in den Tages- und Wochenzeitungen, um seine Gelegenheitsgeschäfte zu propagieren.« - »Was verkauft er denn?« wollte Paul wissen.
    »Alle möglichen geschlossenen Posten, die er auf Versteigerungen der Regierung ersteht. Er verkauft die Sachen mit kleinem Gewinn weiter. Mein Berichterstatter weiß nicht viel von ihm, außer, daß keine Schulden vorhanden sind und seine Inserate ohne weiteres auch von den besten Zeitungen angenommen werden.«
    »Scheint nichts Hinterhältiges vorhanden zu sein«, sagte Paul, der von der Auskunft ein wenig enttäuscht war.
    Anthony biß sich nachdenklich auf die Unterlippe.
    »Wenn ich nur wüßte, was das Mädchen mit den ›Seidenstrümpfen‹ sagen wollte!«
    Er lauerte Mr. Bidder auf, um ihn nochmals eingehender zu prüfen. Der Verdächtige war ein ziemlich hochgewachsener, gelenkiger Herr, dessen hervorragendsten Merkmale in stutzerhafter Kleidung und enormen Diamantringen zu bestehen schienen. Ein glänzender Zylinder schloß den modernen Herrn nach oben ab. Der Mann drängte sich an dem Preller vorüber und begnügte sich, das Hindernis mit einem impertinenten Blick anzustarren. Dann stieg er gemächlich die Treppe zu seiner Wohnung hinauf, hinter sich den Duft einer teuren Zigarre

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