059 - Der Preller
Kollegen davon Wind bekommen, daß ich ihre Geheimnisse verraten habe, würden sie mich ...«
»Beruhigen Sie sich«, fiel ihm Kandeman ins Wort. »Ich habe nur wenig Dienerschaft, aber die wenigen sind jahrelang bei mir und vertrauenswürdig. Ich habe bereits angekündigt, daß an dem Abend in meinem Hause eine Sitzung der Keuschheitsliga stattfinden wird, zu der keine Fremden zugelassen werden. Die Sitzung wird im Salon im zweiten Stock meines Hauses stattfinden, und es wird nicht die geringste Gefahr bestehen, daß Außenseiter zufällig in unsere Sitzung hineinschneien.«
»Ich bin beruhigt«, gab Anthony zurück, fügte aber, dem anderen unhörbar, hinzu: »Du habsüchtiger Heuchler!«
»Ihre Instrumente werden so ins Haus gebracht werden«, fuhr Kandeman fort, »daß nur mein Butler, der schon zwölf Jahre in meinen Diensten steht, sie zu sehen bekommt. Ich kann Ihren Wunsch, Redereien zu vermeiden, verstehen.«
»Wie viele Ihrer Freunde werden anwesend sein?« fragte der Preller, nachdem er sich für die Rücksichtnahme bedankt hatte.
»Mr. und Mrs. Dawby, die letztere bekannt wegen ihrer hochgezüchteten Pekinghündchen, Sir John Smather, einer unserer Propagandaredner und ...«, er nannte noch etwa ein Dutzend Persönlichkeiten, die alle mehr oder weniger gleichen Neigungen folgten wie der Gastgeber selbst.
»Vielleicht bitten Sie die Herrschaften, etwas Geld mitzubringen«, riet Anthony. »Ich möchte die ganze Sache so natürlich wie möglich aufziehen, damit sie eine Ahnung bekommen, wie es ein wirklicher Spieler macht. Nachdem ich ihnen einige Tricks gezeigt habe, wie sie ihr Geld verlieren können, werde ich ihnen alles an Hand meiner Kenntnisse erklären.«
»Natürlich sollen sie Geld mitbringen«, stimmte Kandeman begeistert zu.
Zwei Tage später brachte Anthony seine Instrumente, geheimnisvoll zugedeckt, in Mr. Kandemans Salon unter. Auch der Gastgeber war nicht müßig gewesen. Er hatte seinen Freunden die Nachricht zukommen lassen, sich bei der ›Seance‹ einzufinden, die ein für allemal mit den Tricks der Croupiers aufräumen solle.
Eine halbe Stunde vor Beginn der Sitzung traf der Preller die letzten Vorbereitungen. Er stellte einen mit grünem Tuch überzogenen Tisch auf, der ein genaues Gegenstück des Roulettespiels im Kasino von Monte Carlo war.
»Wirklich ein intelligenter Mensch«, pries Mr. Kandeman den Gästen gegenüber seinen neugefundenen Freund. »Ich freue mich, daß ich dazu beitragen konnte, ihn seinem üblen Handwerk zu entreißen.«
»Ist er alt oder jung?« erkundigte sich Sir John Smather.
»Noch ganz jung.«
»Ich wollte schon immer gern einmal lernen, wie die Leute von Falschspielern betrogen werden«, äußerte eine rotnasige, dicke Dame. »Ich glaube, die Sitzung wird interessant werden.«
Der Veranstalter strahlte.
»Ich will mich nicht mit fremden Federn schmücken«, sagte er bescheiden. »Mr. Jackson hat alles aufgezogen.«
Ein alter Mann, der zur Gesellschaft gehörte, warf einen Blick auf seine Uhr.
»Schon halb zehn«, meinte er anzüglich.
»Ja.« Kandeman erhob sich. »Wollen Sie mir bitte folgen.«
Er stieg ins zweite Stockwerk hinauf, wo sich der Raum befand, in dem die Vorstellung stattfinden sollte. Anthony, im Frack, stand hinter dem grünen Spieltisch und begrüßte die Eintretenden mit einer tiefen Verbeugung.
»Bitte, meine Herrschaften, nehmen Sie um den Tisch herum Platz«, bat er. »Sie, Mr. Kandeman, werden die Stelle des Croupiers einnehmen. Hier ist der Rechen. Während ich noch einige Vorbereitungen treffe, bitte ich Sie, das Rouletterad in Bewegung zu setzen, und Sie, meine Herrschaften, nehmen Ihr Geld und setzen es auf die Nummern, die Ihnen am aussichtsreichsten scheinen. Ihr übriges Geld müssen Sie vor sich auf den Tisch legen.«
Die Herrschaften folgten seinem Wunsch. Es war für sie alle etwas so Neues, so Anreizendes, daß sie es nur zu gern taten.
»Bitte, setzen Sie das Rad in Bewegung«, wandte sich der Vortragende an den ›Croupier‹ - Mr. Kandeman. »Nicht so schnell, bitte. Der Ball wird gegen die Laufrichtung des Rades geworfen. Gut, sehr gut.«
Mr. Kandeman begann an seiner Tätigkeit Vergnügen zu finden. Wieder und wieder setzte er sein Rad in Bewegung.
»Zero!« rief Anthony aus. »Das heißt: Alle haben verloren mit Ausnahme derjenigen Spieler, die auf ›Zero‹ gesetzt haben. Fahren Sie so fort, Mr. Kandeman, während ich meine Vorbereitungen beende.«
Er zog sich mit einer leichten Verbeugung
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