059 - Der Preller
Freiheit gerettet hatte. Bisher war aber noch keiner ihrer zahlreichen Feinde auf den Gedanken gekommen, daß der große Rennwagen dem Preller gehörte.
»Ich werde nun unser schönes Auto im Stich lassen müssen«, erklärte Anthony. »Ehe ich es aber tue, werde ich erst einmal die Babykolonie von Alfriston aufsuchen.«
Durch Sussex führte der Weg. Dann ließen sie das kleine Städtchen Alfriston hinter sich. Kurz ehe sie das letzte Haus passierten, sah Anthony den Mann wieder, der sich in London so sehr für seinen grauen Rennwagen interessiert hatte. Es mochte ein Zufall sein, daß auch er sich in Alfriston befand, aber wahrscheinlicher war es, daß er das Reiseziel ›Mr. Smiths‹ von Sandy erfahren hatte, den Anthony versehentlich nicht davor gewarnt hatte, sich ausfragen zu lassen.
»Hm!« Anthony war unstreitig besorgt, denn er sah, daß der Unbekannte keineswegs allein war und sich eben mit seinem Begleiter anschickte, den Rennwagen des Prellers durch Aufheben der Hand zum Anhalten zu bringen. Anthony gab sich den Anschein, als habe er das Haltesignal nicht bemerkt und setzte seinen Weg fort. Kurz darauf erreichten sie die Kinderbewahranstalt.
Es war ein ausgedehntes Ziegelgebäude, mit Türmchen und Zinnen im Tudorstil geschmückt. Es sah eher einem Schloß ähnlich, denn rings um das Grundstück lagen gut gepflegte Gärten und Spielplätze. Eine saubere Pflegerin in Tracht meldete die beiden Besucher bei der Oberin an.
Diese Respektsperson schien den beiden Herren nur ungern Auskunft zu geben.
»Wir kennen Mr. Billiter nur dem Namen nach«, erklärte sie auf die Frage des Prellers. »Er hat sich uns gegenüber sehr freigebig gezeigt, aber gesehen haben wir ihn hier nie.«
Unstreitig sprach sie die Wahrheit. Anthony war ratlos.
»Wollen Sie das Kinderheim besichtigen?« fragte die Oberin. Zur Überraschung Pauls nahm der Freund die Einladung an.
»Wie viele Kinder haben Sie denn hier?« erkundigte sich Anthony.
»Dreißig, Sir.«
»Das ist also der einzige Schlafraum hier?« fragte Anthony und wies auf einen hellen Saal mit zahlreichen Betten.
»Ja.«
»Haben Sie denn oben keine Zimmer mehr?«
»O doch. Sie werden aber vom Personal bewohnt. Auch Mr. Worthington, unser Direktor und Sekretär, hat seine Räume oben.«
»Kann ich ihn sprechen?«
»Ich glaube nicht«, gab die Oberin zurück. »Er hat ein sehr ernstes Augenleiden und darf sich überhaupt nicht dem Licht aussetzen. Er bringt den ganzen Tag im dunklen Zimmer zu. Wenn Sie es aber wünschen, will ich Sie gern anmelden.«
Sie kam nach einigen Augenblicken zurück.
»Wollen Sie hier ein Kind unterbringen?« erkundigte sie sich.
»Ja«, gab Anthony zurück. »Mein Freund hier« - er zeigte auf Paul -, »hat ein Baby, das er gern in guten Händen lassen möchte.«
»Dann wird Mr. Worthington Sie wahrscheinlich empfangen«, erklärte die Dame und führte sie ins Obergeschoß.
Das Zimmer, in dem Mr. Worthington die beiden Herren empfing, war völlig dunkel. Er selbst lag auf der Couch, was wohl mit seinem geschwächten Körperzustand zu erklären war. Seine Augen waren hinter dunklen Gläsern verborgen.
»Entschuldigen Sie mich, meine Herren«, bat er. »Ich kann leider nicht aufstehen, um Sie zu empfangen. Kann ich Ihnen irgendwie dienlich sein?«
»Ich möchte mit Ihnen einige Worte unter vier Augen sprechen«, sagte Anthony. Die Oberin zog sich zurück.
»Nun, was wünschen Sie, mein Herr?«
»Sie fragten mich, ob Sie mir irgendwie dienlich sein könnten, und ich möchte Ihnen diese Frage beantworten.« Anthony schwieg einen Augenblick. Dann fuhr er fort: »Ich möchte Sie bitten, das Geld, das Sie aus Ihrer Bank mitgenommen haben, wieder zurückzugeben. Gleichfalls möchte ich Sie ersuchen, das Geld, das Sie für diese Kinderbewahranstalt als Treuhänder verwalteten, in andere Hände zu legen. Wenn Sie das alles getan haben, will ich Gnade für Recht ergehen lassen und Ihnen vierundzwanzig Stunden Vorsprung geben, ehe ich die Polizei hinter Ihnen herjage.«
Mr. Worthington antwortete mit keiner Silbe. Sie sahen ihn nun, da sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, deutlich vor sich. Sein Gesicht war zu einer widerlichen Grimasse verzogen.
»Ist das nicht ein etwas merkwürdiger Vorschlag, mein Herr?« fragte er leise. »Nehmen wir an ...«
». Sie lassen Ihre Hand von der Hüfttasche weg. Mr. Billiter«, unterbrach ihn Anthony. »Werfen Sie einen Blick auf meine rechte Hand! Sehen Sie den Revolver, ja? Gut, dann
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