059 - Der Preller
in den Tag hinein, obwohl er genau davon unterrichtet war, daß die Madrider Kriminalpolizei für alle seine Bewegungen das höchste Interesse verriet. Unbesorgt schlief er jede Nacht den traumlosen Schlaf des Gerechten, unbedrückt von Sorgen und Reue.
Seine geschäftlichen Angelegenheiten erledigte er in einem kleinen Büroraum, an dessen Tür sein Name mit dem Zusatz ›Korken en gros‹ verzeichnet stand. Die geheimnisvollen Besucher, die bei Malejala zu jeder Tageszeit vorzusprechen pflegten, sahen jedoch nicht danach aus, als ob sie sich für die nützlichen Produkte der Korkeiche besonders interessierten.
An einem hellen, schwülen Junimorgen - die Wasserwagen der Madrider Straßenreinigung versuchten immer noch vergeblich, den Straßenstaub zu löschen - empfing Señor Malejala wieder einen seiner häufigen Besucher. Erst als der ›Korkkaufmann‹ sich vergewissert hatte, daß sie nicht belauscht werden konnten, gab er seinem Besucher einen Wink, worauf dieser aus dem Futter seiner Mütze einen Brief zog, den er Malejala überreichte. Der Hausherr riß den Umschlag auf und begann den langen Brief zu lesen.
›Geehrter Herr! Ich habe Ihre zu Herzen gehenden Klagen gelesen und wäre nicht abgeneigt, dem Zweck, den sie nannten, einige tausend Pfund zu widmen. Die einzigen Zweifel, die ich noch habe und die mich verhindern, Ihnen schon heute eine endgültige Zusage zu erteilen, sind darin begründet, ob es nicht den göttlichen und menschlichen Gesetzen widerspricht, unrecht Gut zu erstehen. Andererseits verhehle ich mir nicht, daß man ja den Ertrag wohltätigen Zwecken zuführen könnte .. .‹
Hier unterbrach Mal ej ala seine Lektüre und lächelte verächtlich. Er kannte diese Logik, mit der die Habsucht die eigenen Taten vor dem Gewissen entschuldigen will.
›Leider habe ich selbst kein Scheckbuch, da mir mein Onkel, Oberst Sunning, jede Verfügung über mein Vermögen entzogen hat. Ich habe vor einigen Jahren ein großes Vermögen geerbt und das ganze Geld auf der Bank liegen. Ich darf aber, wie ich schon schrieb, nicht an das Geld heran. Mein Onkel, in dessen Haus ich wohne, hält mich so gut wie gefangen, verbietet mir jeden Ausgang, weil er mich zwingen will, seinen Sohn zu heiraten. Ich hasse ihn aber und werde nie den Wunsch seines Vaters erfüllen. Oh, Señor, wie sehne ich mich nach Freiheit! Onkel drohte mir, er würde mich, wenn ich Felix, seinen Sohn, nicht heirate, in einer Irrenanstalt unterbringen lassen. Ich habe dem Diener des Obersten, meinem Wächter, hunderttausend Pfund geboten, wenn er mich nur ein einziges Mal aus dem Haus entkommen ließe. Alles vergeblich. Er hat vor Onkel zuviel Angst und wagt nicht, sich seinen strengen Befehlen zu widersetzen. Ich will versuchen, einen Scheck auf meine Bank zu bekommen, zweifle aber daran, ob es mir gelingen wird. Das einfachste wäre ja, wenn Sie den Versuch machen würden, mir einen solchen zugehen zu lassen. Ich könnte ihn unterschreiben und Ihnen damit die Summe, die Sie für Ihre Pläne benötigen, zur Verfügung stellen. Mein Name wird Ihnen nicht unbekannt sein. Ich bin die Universalerbin Sir Veille Mortimers, der vor zwei Jahren in Indien starb. Ihre ergebene Mary Mortimer.‹
Señor Malejala lächelte und las den Brief nochmals durch. Er war ein durchaus gewissenhafter, methodischer Mensch, der alles, was ihm unterbreitet wurde, bis zur letzten Kleinigkeit durchschauen wollte. Auch jetzt blätterte er, ehe er sich zu einem Entschluß aufraffte, die Zeitungen durch, die er einem Archiv - das die Aufschrift ›England‹ trug - entnahm. Bald hatte er die Berichte gefunden, die den Tod Sir Veille Mortimers betrafen.
Er vergewisserte sich noch, daß wirklich eine Miss Mary Mortimer Universalerbin des enormen Vermögens von Sir Veille geworden war, und nahm dann die Erledigung dieser Sache energisch in die Hand.
Als er den Brief nochmals durchlas, entdeckte er auf der letzten Seite eine Nachschrift, die er bisher übersehen hatte.
›PS. Mein Vermögen liegt bei der Bank von England.‹
Einen Scheck auf diese Bank zu erhalten, war für Malejala ein leichtes. Er konnte Scheckbücher auf jede Bank, sei es in England oder sonstwo, beschaffen.
Nach Verlauf zweier Tage hatte er seinen Plan gemacht. Er verließ Madrid und traf am Samstag früh in London ein.
Auf dem Piccadilly begegnete er seinem Landsmann, Señor Maura, der ihn freundlich begrüßte.
»Buenos dias, Señor Malejala. Que esta haciendo en Londres? Was machen Sie denn in
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