059 - Der Preller
London?«
»Ich besuche einige Freunde«, gab Malejala ebenso liebenswürdig zurück. »Es ist mir wirklich ein besonderes Vergnügen, Sie hier zu sehen. Die Verbrecher in Madrid werden sich freuen, da sie nun in Ihrer Abwesenheit freie Hand haben.«
»Alle sind ja nicht mehr in Madrid. Einige haben sich gleichfalls nach England begeben«, erwiderte der Beamte mit anzüglichem Lächeln.
Malejala zuckte die Achseln.
»Es wird wirklich ein Verlust für das spanische Volk sein, wenn Sie ihm durch einen ›Unglücksfall‹ entrissen würden, Señor Maura. Ich sende täglich meine Gebete zur heiligen Gottesmutter, daß nicht ich es sein möge, der die Ursache zu Spaniens Trauer sein wird.«
Maura lächelte.
»Diesem Gebet schließe ich mich in anderer Form an, Señor Malejala. Ich bete zu Gott, daß ich niemals Zeuge sein möge, wenn die scharfe Spitze der ›Garotte‹ Ihnen den Halswirbel durchbohrt.«
Mit diesen gegenseitigen Segenswünschen trennten sich die beiden Herren. Malejala setzte seinen Weg nach Finchley fort. ›Depe Dene‹ fand er ohne besondere Schwierigkeit. Langsam spazierte er vor dem Haus, das einen nüchternen Eindruck auf ihn machte, auf und ab, bis plötzlich hinter einem der Fenster des obersten Stockwerks eine weibliche Gestalt auftauchte. Er winkte ihr freudig zu, worauf die oben Stehende mit einem sichtbaren Zusammenzucken ins Zimmer zurücktrat. »Mut hat auch der Mameluck«, sagte sich Malejala. Er beschloß, den Stier bei den Hörnern zu nehmen. Ohne zu zögern, öffnete er die Gartentür und spazierte gemächlich bis an die Haustür heran. Dann klingelte er. Ein finster dreinblickender Diener öffnete und warf auf den Einlaßbegehrenden einen prüfenden Blick.
»Wohnt hier Herr Oberst Sunning?« erkundigte sich der Besucher.
»Jawohl, Sir.«
»Ist er zu Hause?« »Nein. Er ist nach Newmarket gefahren, Sir.«
Malejala steckte dem Diener eine Fünfpfundnote zu.
»Ich möchte gern Miss Mortimer begrüßen.«
»Miss Mary?« Der Diener schüttelte zweifelnd den Kopf. »Ich bedaure. Ich kann Sie nicht zu der Dame führen. Sie ist nicht ganz wohl. Kommen Sie von der Bank von England, Sir?«
»Nein. Wie kommen Sie auf diese Vermutung?«
Der Diener trat verlegen von einem Fuß auf den andern.
»Ich will offen sein, Sir«, sagte er endlich. »Miss Mary hat dem Herrn Oberst mitgeteilt, daß sie an die Bank geschrieben habe, um ein neues Scheckbuch zu bekommen. Der Herr Oberst hatte aber einige Tage vorher ein gleiches getan, und ich vermute nun, daß die Bank stutzig werden und sich erkundigen würde, wie es sich mit dieser doppelten Bestellung verhalte.«
Señor Malejala freute sich. Er wollte eben auf seinen Wunsch, die junge Dame zu sprechen, zurückkommen, als er hinter dem Diener eine weibliche Gestalt auftauchen sah. Der Diener hatte ebenfalls die sich nähernden Schritte gehört und drehte sich um.
»Sie dürfen nicht herunter, Miss Mortimer«, rief er. »Der Herr Oberst hat es strengstens verboten. Entschuldigen Sie mich, Sir«, wandte er sich an den Besucher, schob ihn aus der Tür und schlug sie ihm vor der Nase zu.
»Sie hat mir also die Wahrheit berichtet«, murmelte Malejala vor sich hin. Seine dunklen Augen leuchteten auf. »Hier ist allerlei zu verdienen.«
Er trat auf die Straße hinaus, wo er sich einen Platz aussuchte, vom dem aus er das ganze Haus übersehen konnte. Gegen Abend fuhr ein Auto vor dem Gebäude vor. Ein älterer Herr stieg aus und schritt langsam, einen Stock als Stütze benutzend, den Gartenweg zur Haustür hinan. Mit ihm, so folgerte Malejala, befanden sich nun zwei Männer im Haus: der Diener, klapprig und alt, und ein nicht weniger gebrechlicher pensionierter Offizier, der sich beim Gehen eines Stockes bedienen mußte. Leicht genug, mit diesen beiden fertig zu werden!
Malejala machte sich auf, um unter seinen Landsleuten in London einen Gehilfen zu suchen.
Mit Hilfe eines Dietrichs, bewaffnet mit einem Revolver und einer Blendlaterne, drangen die beiden Spanier erst in den Garten ein; dann ließ Malejala den Landsmann als Wächter zurück und schritt dem dunklen Haus zu.
Vom zweiten Stock aus drang aus einem Fenster ein Lichtschein, und Malejala glaubte hinter den schützenden Gittern die Silhouette einer weiblichen Gestalt zu sehen.
Durch die Haustür würde das Eindringen, wie er glaubte, am leichtesten sein. Er hatte während seiner Unterhaltung mit dem Diener seine Augen offengehalten und wußte, daß kein Riegel, sondern nur ein
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