0595 - Der Werwolf-Dämon
sofort und bewegte sich so, daß er sie beide zugleich sehen konnte, statt ständig hin und her blicken zu müssen.
Zamorra lächelte dünn, der Mann war alles andere als hohl hinter der Stirn.
»Inspektor Perrot, Mordkommission Rouen«, stellte er sich vor. »Wenn Sie sich jetzt also vom Acker machen würden…«
»Wir sind keine Reporter«, wiederholte Zamorra noch einmal. »Mein Name ist Zamorra, ich bin Professor für Parapsychologie. Das ist meine Assistentin, Nicole Duval. Hier, mein Ausweis.«
Perrot betrachtete den Ausweis eingehend und gab ihn dann zurück. »Na schön, Professor. Und was wollen Sie hier?«
»Urlaub machen vielleicht?« Zamorra lächelte.
»Zwei, vielleicht drei Tage lang? Und um das Zimmer zu bekommen, bezahlen Sie für eine ganze Woche? Hören Sie, die Geschichte können Sie dem Eiffelturm erzählen, aber nicht mir. Gerade haben Sie noch von den Todesfällen gesprochen. Aber hier gibt es nichts für Sie. Parapsychologie… glauben Sie etwa, ein Gespenst hätte die Leute ermordet? Wäre doch auch 'ne tolle Schlagzeile, nicht wahr? Poltergeist als Vollmondkiller!«
»Wie wär's mit einem Werwolf?« fragte Nicole trocken.
Perrot sah sie verblüfft an. »Hier… hier gibt es keine Werwölfe, und auch keine Poltergeister und keine Gespenster. Machen Sie sich getrost wieder aus dem Staub.«
»Nein«, sagte Zamorra freundlich. »Als steuerzahlende und unbescholtene Bürger der grande nation dürfen wir uns überall in diesem Land frei bewegen. Solange wir uns nichts zuschulden kommen lassen, können weder Sie noch der Bürgermeister uns von hier verjagen.«
»Du gibst ihnen kein Zimmer, Louis«, knurrte der Grauhaarige in Richtung des Wirts.
»Hier muß ja mächtig was im Argen sein, daß man uns von hier forthaben will. Scheint, als legen bei jemandem ein paar Leichen im Keller«, sagte Nicole.
»Hier ist nichts im Argen«, erwiderte Perrot. »Halten Sie sich raus aus diesem Fall! Wer meine Ermittlungen stört oder behindert, dem mache ich ein Höllenfeuer unter den Hintern. Kapiert?«
»Sicher, Sheriff«, bemerkte Zamorra trocken.
Der Inspektor grinste, sammelte Handy und Diktiergerät ein und tippte mit der Hand gegen einen imaginären Stetson. »So will ich Sie hören, Fremder.«
Er verließ den Raum. Bald darauf brummte der Motor des Citroën auf, dann kehrte wieder Ruhe ein.
Zamorra wandte sich wieder dem Wirt zu und zog sein Scheckheft hervor.
»Pardon, Monsieur. Wir wurden leider unterbrochen. Sie haben mir noch nicht verraten, was ein Zimmer für eine Woche kostet.«
Der Bürgermeister trank seinen mittlerweile kalt gewordenen Glühwein aus und wandte sich zur Tür. »Ich will Sie in meinem Dorf nicht sehen«, stieß er hervor. »Also verschwinden Sie endlich, wenn Sie keinen Ärger wollen !«
Die Tür fiel hinter ihm zu.
»Au weia«, murmelte Louis, der Wirt. »So schnell hat sich's noch keiner mit ihm verdorben. Aber ich kann ihn verstehen, er versucht, hier Fremdenverkehr anzusiedeln und Arbeitsplätze zu schaffen, und jetzt diese verdammte Geschichte, die von der Presse aufgebauscht worden ist. Das bringt uns nicht gerade das, was man ein gutes Ansehen nennt. Sie sind wirklich keine Reporter?«
»Ehrenwort«, gelobte Zamorra. »Sie können sich über mich erkundigen. Rufen Sie im Dekanat des Fachbereichs Psychologie an der Sorbonne an. Ich halte da öfters Gastvorlesungen. Ansonsten betreibe ich eher private Forschung.«
»Na ja, auch eine solche Legende kann man fälschen«, murmelte der Wirt. »Oft genug im Fernsehen gesehen. Aber Sie bekommen das Zimmer.«
»Auch wenn wir Sie nach dem letzten Mordfall fragen?« wollte Nicole wissen. »Davon hatten wir nämlich noch nichts gehört. Wir sind nur wegen der drei anderen Todesfälle hier, und weil einer sich in unmittelbarer Nähe dieses Dorfs zugetragen hat und Angehörige des Opfers hier wohnen, dachten wir uns, wir nehmen die Spur am besten auch hier auf.«
»Was hat das mit Psychologie zu tun?« fragte der Wirt.
»Parapsychologie«, verbesserte Nicole.
»Sie glauben doch wohl nicht wirklich an einen solchen Unsinn?« Louis schüttelte den Kopf.
»Was wir glauben, spielt dabei keine Rolle. Uns geht es um Fakten.«
Der Wirt zuckte mit den Schultern. »Diese Nacht hat es eine ältere Frau erwischt. Der Briefträger hat sie gefunden. Ein Fenster war zerbrochen, die halbe Wohnung verwüstet, und… na ja, nicht gerade das, was man einen schönen Anblick nennt. Der Leichnam ist nach Rouen gebracht worden, zur
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