0596 - Feuer-Furie
auf. »Einen Beweis?« hauchte er.
Die Flammenfrau nickte. »Ja, ich will dich nicht im unklaren lassen.« Sie ließ die Hand hinter ihrem Rücken verschwinden. Wo immer sie das Foto gehabt haben mochte, sie zeigte es Sinclair, als dieser einen Schritt auf sie zukam.
»Wer ist das?«
Der Anwalt ging noch näher. Das Foto war farbig, es zeigte eine Person, das war genau zu erkennen. Schweiß bildete sich noch stärker auf seiner Stirn. Seine Lippen zuckten, auch die Adern an seinem Hals bewegten sich zuckend.
»Nun?«
»Sie… sie … es ist …« Sinclair holte tief Luft. »Meine Frau!« brüllte er durch das Haus. »Es ist meine Frau!« Er wollte der Fremden das Foto aus der Hand reißen, doch sie zog den Arm blitzschnell zurück und stieß dabei ein hartes Lachen aus. »Tatsächlich, du hast recht. Es ist deine Frau, Sinclair.«
»Und jetzt?«
Sie hielt es fest, überlegte, dann neigte sie die Hand und überreichte ihm die Aufnahme. »Da, schau sie dir an, Sinclair. Schau genau hin und sage mir, was los ist.«
Er schluckte. Der Mund stand zur Hälfte offen. Dann flüsterte er mit heiserer Stimme: »Mein Gott, mein Gott…« Tränen verschleierten die Blicke des älteren Mannes. Er wischte sich über die Augen, um die Einzelheiten auf dem Bild besser erkennen zu können.
Im Vordergrund sah er seine Mary. Sie stand, sie lag – oder beides? Jedenfalls war ihre Haltung nicht mehr normal. In einer Schräge, vor einer Wand, mit einem bleichen, ausgemergeltem Gesicht, in dem die Spuren der Gefangenschaft deutlich zu sehen war.
Ein hartes, brutales Leiden, das man ihr zugefügt hatte.
»Nun?«
Sinclair sagte nichts. Er konzentrierte sich auf Marys Mund, suchte nach den verdammten Bluthauern, doch sie hielt auf dem Foto die Lippen fest geschlossen, so daß er über ihr eigentliches Schicksal keinen Bescheid bekam.
Seine Hand mit dem Foto sank nach unten. Er veränderte aber seine Blickrichtung und schaute der Flammenfrau ins Gesicht. »Ich weiß noch nicht Bescheid, ich muß erfahren, ob…«
»Ist sie das, oder ist sie das nicht?«
»Du meinst Mary?«
»Ja.«
Horace F. Sinclair nickte. »Ja, sie ist es. Es ist meine Mary. Woher hast du die Aufnahme?«
Die Fremde lachte. »Möglicherweise weiß ich, wo sie sich aufhält. Daß es ein Versteck ist, wirst du ja gesehen haben. Es gibt eben Menschen, die es kennen.«
»Und wo?« hauchte der Mann.
»Nicht hier, nicht in diesem Land, sondern in einem anderen, fernen, aber auch nicht so fern…«
»Wo?« schrie er.
Die Flammenfrau streckte den Arm aus. »Alles zu seiner Zeit, Mr. Sinclair, alles zu seiner Zeit. Ich könnte dich zu ihr bringen, wenn du gewisse Bedingungen dabei erfüllst.«
»Welche?«
»Zum Beispiel müßtest du die Nerven behalten, nicht durchdrehen und unseren Plänen nicht im Wege stehen. Dann könnten wir deine Frau zurückgeben.«
»Was sind das für Pläne? Haben sie mit Will Mallmann zu tun? Steckt die Aktion D dahinter?«
»Alles hängt mit ihr zusammen und auch mit uns – den ›Staubgeborenen Frauen‹ oder ›Leichen-Ladies‹.«
»Den was?«
»Vergiß es vorerst, Sinclair. Für uns ist wichtig, daß die Bedingungen des Will Mallmann erfüllt werden.«
»Dann sage sie mir!«
»Dein Sohn spielt eine Rolle, dieser Chinese ebenfalls. Es ist alles ein wenig komplizierter.«
Sinclair hatte sich wieder etwas gefangen, um einigermaßen klar und nüchtern nachdenken zu können.
»Mein Sohn also, Suko ebenfalls. Kann ich davon ausgehen, daß noch ein dritter eine wichtige Funktion erfüllt? Ich denke da an den Blutstein.«
Sie nickte. »Davon kannst du getrost ausgehen. Auch ihn haben und dürfen wir nicht vergessen.«
»Und wie läuft es ab?«
»Wichtig ist Sinclair. Er und sein Freund müssen eine kleine Reise antreten. Nicht sehr weit, außerhalb dieses Landes, aber innerhalb Europas.«
»Wohin?«
»Die ›Leichen-Ladies‹ erwarten seinen Besuch.«
Sinclair schrak zusammen. »Du hast sie schon einmal erwähnt. Gehörst du auch dazu?«
»Das ist möglich.«
»Saugen sie auch Blut?«
»Du wirst es alles sehen, wenn du bei ihnen bist und dich mit ihnen unterhalten kannst. Wir haben lange genug gewartet, jetzt ist die Zeit endgültig reif.«
Horace F. Sinclair nickte. »Das meine ich«, flüsterte er. »Ja, die Zeit ist reif.«
»Wie gut, daß du es einsiehst.«
»Aber ich habe noch eine sehr wichtige Frage.«
»Bitte.«
»Ich sah Mary auf dem Bild. Ich erkannte in ihrem Gesicht die schreckliche Qual«, flüsterte
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