0597 - Leichen-Ladies
und zubeißen.
Jane leistete keinen Widerstand. Erst als sie auf den Beinen stand, versuchte sie, sich zu drehen, und gleichzeitig den rechten Arm mit der Pistole in die Höhe zu bringen.
Es gelang ihr kaum. Die Schläge des Vampirs auf ihre Schultern hatten ihr einen Teil der Kraft geraubt. Aber Mallmann sah ebenfalls, was Jane festhielt.
Sie schoß.
Der Knall war laut, erschreckend, doch die Kugel, die dem Vampir gegolten hatte, erwischte ihn nicht. Sie huschte dicht an seiner rechten Seite vorbei und klatschte dicht über dem Boden in die Wand.
Jane war zum Glück geistesgegenwärtig genug, um nach hinten zu springen, weil sie Distanz zwischen sich und Mallmann bringen wollte.
Das dauerte einige Zeit und gab dem Untoten Gelegenheit, sich zu erholen.
Er hatte sich gebückt und nach dem Sargdeckel gegriffen. Bevor Jane Collins abdrücken konnte, schleuderte er ihr das schwere Oberteil entgegen.
Jane schoß trotzdem. Die zweite Kugel traf, nur erwischte sie nicht den Blutsauger, sondern hackte in den Sargdeckel, der das Geschoß aufhielt. Es gelang Jane, das Hindernis zur Seite zu schmettern, genau da schloß sich bereits die Tür.
Mallmann hatte tatsächlich das Weite gesucht, die Tür allerdings nicht von außen verriegelt.
Als Jane sie aufriß, vernahm sie nur mehr die Echos der Schritte in der Dunkelheit des Kellers.
Von Will Mallmann selbst sah sie nichts mehr. Sie konnte sich allerdings vorstellen, was er jetzt unternehmen würde, und davor hatte sie eine Riesenangst…
***
Auch für Mary Sinclair war die Begegnung mit ihrem Sohn freudig schlimm gewesen. Sie hatte es zunächst nicht glauben wollen und alles für einen Traum gehalten, doch Johns Stimme und vor allen Dingen der Druck seiner Hand waren kein Traum gewesen. Er hatte sie lange gesucht und gefunden – endlich.
Zitternd trat sie vom Fenster weg. Tränen, Schmutz und Schweiß hatten ihr Gesicht mit einem grauen Schmier bedeckt. Wenn sie einatmete, mußte sie keuchen und hatte manchmal das Gefühl, sich zu übergeben. Aber sie hielt sich auf den Beinen, sie mußte jetzt die Kraft besitzen, durchzuhalten. Eine Hölle lag hinter ihr, eine weitere würde sie noch durchschreiten müssen, falls es zu einer Befreiung kam.
Mary Sinclair war froh, sich auf den einzigen Stuhl setzen zu können, auch wenn die Sitzfläche hart wie Stein war. Kaum saß sie da, überkam sie der Schwindel.
Der hinter ihr liegende Streß mußte sich einfach freie Bahn verschaffen. Der Schwindel ließ sie schwanken, sie hielt sich an der Tischkante fest und schaffte es dadurch, nicht vom Stuhl zu kippen.
Über Monate hinweg hatte sie den Druck und das Grauen der Gefangenschaft ausgehalten. Jetzt nur nicht schlappmachen.
Sie sank nach vorn, stützte sich mit den Ellenbogen auf der staubigen Tischplatte ab und konnte selbst nichts mehr tun. Sie mußte nur mehr warten.
Auf das Wunder?
Ja, es kam ihr wie ein Wunder vor. Zum Greifen nahe war John gewesen. Sie hatte ihn schon anfassen können, hatte seine Berührung gespürt, den Druck seiner Hand.
Früher, in der Kindheit, hatte sie ihn getröstet, wenn John einmal traurig gewesen war. Heute war es umgekehrt, da mußte er seiner Mutter Mut zusprechen.
Mary Sinclair drückte sich wieder hoch. Sie saß so, daß sie zum vergitterten Fenster und gleichzeitig zur Tür schauen konnte. Da brauchte sie nur etwas den Kopf zu drehen.
Draußen war die Sonne verschwunden. Die Schatten kamen hier schnell, bedingt durch die mächtigen Bäume, die stets ein wenig Dämmerlicht brachten und die Umgebung mit einer gewissen Schwüle umhüllten.
Lange hatte sie in der Gefangenschaft aushalten und warten müssen, und sie hatte sich auch an diese fürchterlichen Tage und Nächte gewöhnt. Nun war all das vergessen. Es kam ihr darauf an, so rasch wie möglich befreit zu werden. Sie mußte raus aus diesem verfluchten Gefängnis, aber würden John und Suko es schaffen?
Sie kannte Mallmann mittlerweile und ging davon aus, daß der Vampir zahlreiche Fallen aufgebaut hatte. Würden John und Suko diese Fallen erkennen?
Mary Sinclair dachte in diesen Augenblicken nicht so sehr an sich.
Sie mußte einfach an ihren Sohn denken, der alles versuchen würde, um sie aus den Klauen des Blutsaugers zu befreien.
Nach dem Gespräch mit ihrem Sohn empfand sie die Stille innerhalb der vier Wände als doppelt so drückend und grausam. Die Wände blieben dort, wo sie waren, aber ihr kam es vor, als hätten sie sich in Bewegung gesetzt, um auf sie
Weitere Kostenlose Bücher