0597 - Leichen-Ladies
besitzt.«
»Wir müssen erst einmal rein.« Während ich sprach, schaute ich nach unten. Meine Mutter hatte ihre Hand wieder zurückgezogen.
Hinter den Gitterstäben sah ich, wie sie sich bewegte. Dabei zog sie sich weiter zwischen die Mauern zurück.
Tief atmete ich durch. Das Zittern hatte noch immer nicht nachgelassen. Nach wie vor stand ich unter Strom, und auch der kalte Schweiß klebte weiterhin auf meiner Haut.
Suko lächelte knapp. »Wenn wir etwas erreichen wollen, sollten wir uns vielleicht trennen und von zwei verschiedenen Seiten aus angreifen. Wir müssen Mallmann in die Klemme bringen und ihn zwingen, etwas zu unternehmen.«
»Nein, Suko, nein.« Ich widersprach heftig. »Mallmann soll noch nicht wissen, daß wir hier sind. Wenn er es zu früh erfährt, wird er sich an meiner Mutter schadlos halten. Er kann das Verlies stürmen und blitzschnell über sie herfallen.«
»Meinst du?«
»Davon bin ich überzeugt. Wir können nur eins tun. Versuchen, ihn zu überraschen.«
Suko legte die Stirn in Falten. »Eine gute Idee, John, wirklich, aber wie ich Mallmann kenne, weiß er längst Bescheid. Der läßt sich bestimmt nicht die Butter vom Brot nehmen, darauf kannst du dich verlassen. Mallmann kennt alle Tricks, er zieht die Fäden, er ist die Person im Hintergrund.«
Ich bückte mich noch einmal, um meine Mutter anzusprechen. Sie hielt sich dicht am Fenster auf. »Sag mir, wo könnte sich der Blutsauger aufhalten?«
»Irgendwo hier im Keller«, lautete die geflüsterte Antwort. »Aber ich weiß nicht, wo er sich genau tagsüber vor den Strahlen der heißen Sommersonne verbirgt. Das kann überall sein. Es gibt zahlreiche Verstecke, mein Junge.«
»Wir werden die Räume überprüfen. Drück uns die Daumen, Mutter, und dir selbst auch!«
»Das mache ich!«
»John!« Ein scharf geflüsterter Ruf ließ mich herumfahren. Suko hatte gesprochen.
Plötzlich rieselte es eiskalt über meinen Rücken. Ich verkrampfte mich, denn die Gestalt, die vor uns stand, die hatte ich schon längst vergessen. Aber sie war da, wir kannten sie aus London, dort hatten wir sie als Feuer-Furie bezeichnet…
***
Sie sah aus wie immer. Ein Mantel aus Flammen hüllte sie ein. Dahinter zitterte und waberte ihr fast nackter Körper, der nur von einem dünnen Lendenschurz bedeckt wurde.
Ich konnte ihr Gesicht nicht genau erkennen, von dem Suko gemeint hatte, daß es eine gewisse Ähnlichkeit mit der Vampirin Reva aufwies, die Mallmann zu einem Blutsauger gemacht hatte.
Weshalb sie hier stand, konnten wir nicht sagen, aber ihr Erscheinen bewies uns, daß sie und Mallmann zusammenarbeiteten, denn die beiden hatten die Falle gestellt.
Meine Hand befand sich schon auf dem Weg zur Beretta, stoppte allerdings auf halbem Weg. Nein, keine unüberlegten Handlungen.
Die Feuer-Furie hatte uns noch nicht angegriffen, sie kam mir vor, als wäre sie geschickt worden.
Die Flammenfrau rührte sich nicht. Unbeweglich stand sie hinter ihrem feurigen Mantel. Sekunden vergingen, ohne daß jemand sprach, dann aber reagierte sie auf eine Art und Weise, die selbst uns erschreckte, denn damit hatten wir nicht gerechnet.
Es sah so aus, als würde sie langsam hin- und herschwingen. Zuerst geschah das auch. Es ging alles gut, bis wir plötzlich innerhalb der Flammentulpe noch zwei Schatten sahen, die sich rechts und links der eigentlichen Person manifestiert hatten.
Plötzlich schauten wir gegen drei Frauen!
Die in der Mitte flammte, die beiden anderen nicht. Sie standen nur im Feuer, grau, alt, so aussehend, als würden ihre Körper aus dunkler Asche bestehen.
»Das ist nicht wahr!« hauchte Suko. »Verdammt, John, was soll das nun wieder sein?«
Ich konnte ihm keine Antwort geben, weil zudem die Flammen zusammensanken.
Während dieses Vorgangs hörten wir ein lautes Zischen. Gleichzeitig sprühte der Körper auf, er loderte, und im nächsten Moment war aus der Feuer-Furie eine dritte Person geworden, die sich in nichts von den beiden anderen unterschied.
Grau, uralt, mit schneeweißen Haaren, aber rötlich schimmernden Augen, als hätte sich dort das Blut gesammelt. Ungemein häßlich, abstoßend und widerlich, so standen die drei alten Personen vor uns. Wie lebende Leichen kamen sie uns vor. Verbrannte, deren Asche sich noch einmal zu Körpern geformt hatte.
Leichen-Ladies…
Fragen quälten uns. Antworten würden wir kaum bekommen, es sei denn durch Gewalt.
Ich fand meine Sprache wieder. »Wer seid ihr?« sprach ich die drei
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