0598 - Die Alte Macht
der einen und einen klirrenden, großen Schlüsselbund in der anderen Hand.
»Komm her, Narr!« befahl einer der beiden Bewaffneten.
Zamorra wartete ab.
»Komm her!« schnarrte der Mann. »Aber sofort!«
Hämisch grinste der Jackendieb Zamorra an. »Du bist gemeint, Freundchen! Jetzt holen sie dich zur Befragung. Aber tu mir den Gefallen und schrei so laut, daß ich's hier hören kann…«
Der zweite Bewaffnete grinste diabolisch. »Du wirst bald dein eigenes Geschrei unter der Folter hören. Und ich werde dafür sorgen, daß der Foltermeister dich daran erinnert, welchen Spaß es dir macht, Geschrei zu hören…«
»Der Teufel soll dich holen, du dreckiger Lump!« brüllte der Jackendieb zurück.
Aber da war Zamorra schon an der Tür. Er hatte zwar kein Interesse daran, gleich die Bekanntschaft des Foltermeisters zu machen, doch wenn er sich zur Wehr setzte, würden sie ihn nur niederschlagen und ihm damit die Chance nehmen, seine Begleiter auf dem Weg zur Befragung auszutricksen.
Solange Zamorra bei Besinnung und damit handlungsfähig war, gab es eine Möglichkeit, zu entkommen.
Immerhin hatten sie darauf verzichtet, ihn in Ketten zu legen!
Hier im Korridor konnte er sich wenigstens aufrecht bewegen, sah jetzt auch, warum die Zelle so niedrig war. Man hatte in einer Etage gleich zwei Reihen von Zellen übereinander gesetzt. Die Türen der oberen Reihen waren nur über Leitern erreichbar.
Bot das den Zelleninsassen nicht die Möglichkeit, ihre Wärter anzugreifen, wenn die, auf der Leiter stehend, den Kopf zur Tür hereinstreckten?
Zamorra kam nicht dazu, dieser Frage weiter nachzugehen. Er wurde von den Männern vorangestoßen, und der Kerkermeister, der zuvor die Zellentür umständlich wieder verriegelt und abgeschlossen hatte, benutzte zum Stoßen die brennende Fackel!
Kurz genug war dieser Stoß gewesen, um den Stoff des Jogginganzuges nicht in Brand zu setzen, aber auf weitere Experimente dieser Art wollte Zamorra doch verzichten. Also bewegte er sich so schnell vor seinen Aufpassern her, wie diese es von ihm verlangten.
Sie nach Nicole zu fragen, das hielt er für zwecklos.
Sie bogen in einen anderen Gang ab. An dessen Ende stand eine Tür offen, und übergangslos fand sich Zamorra in einem Folterkeller wieder, wie es ihn in der Gegenwart nur noch in Museen gab.
Aber hier rochen die Instrumente noch nach Blut.
Ein muskelbepackter Zweizentnermann, mit einer rauhledernen Schürze bekleidet, winkte heftig.
»Zieh dich aus und stell dich da hin!« befahl er und deutete auf eine Stelle an der Wand, an der Hand- und Fußschellen mit schweren Eisenketten auf ihr Opfer warteten. »Los, mach schon! Ich will nicht den ganzen Rest des Tages mit dir vertrödeln, Narr!«
»Dann geh doch einfach jetzt schon nachhause!« empfahl Zamorra.
Was ihm einen wüsten Fausthieb zwischen die Schulterblätter einbrachte.
»Ihr seid aber verdammt humorlos…«
»Und deine Narrensprüche sind hier fehl am Platz! Die hättest du besser auf Jahrmärkten von dir gegeben, als du noch frei warst!«
Die beiden Bewaffneten packten zu, fetzten ihm die Jacke auseinander und zerrten ihn zu den Eisenketten an der Wand. Einer warf die Jackenreste dem Kerkermeister zu, der den Stoff zwischen den Fingern rieb.
»Verrückt bunt… Wie hat der Färber das bloß so hinbekommen? Und was mag der Narr ihm für dies bunte Kostüm bezahlt haben?«
Da endlich wurde Zamorra klar, warum ihn hier jeder als Narren bezeichnete.
Wegen seines bunten Jogging-Anzugs, der nicht nur von Material und Zuschnitt, sondern auch von den Farben her für diese Epoche absolut ungewöhnlich war!
Im nächsten Moment wurde er rabiat.
Er wollte sich nicht anketten lassen. Er konnte sich nämlich nicht darauf verlassen, im letzten Moment doch noch in die reale Gegenwart zurückgeholt zu werden. Aber wenn er erst einmal in Eisen lag, kam er aus eigener Kraft nicht mehr frei.
Er verfiel wieder auf unfaires Treten, aber fair ging man mit ihm ja auch nicht um!
Einer der Wächter schrie auf und krümmte sich am Boden. Der zweite wich gerade noch dem Tritt aus, geriet dabei aber zwischen Zamorras Fäuste und flog rücklings bis zum Kohlebecken mit der Glut, in der Zangen und Brandeisen erhitzt wurden.
Noch lauter als sein Kumpan kreischte er und taumelte wieder von dem glühendheißen Becken weg. Er würde die nächsten Tage auf seinen Brandblasen nicht sitzen können.
Dem ersten riß Zamorra das Kurzschwert aus der Scheide, wirbelte herum und hatte im
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