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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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wußte, sie hörte sich an wie eine am Schwanz aufgehängte Maus. Und als ihre Mutter ihr den Becher an die Lippen drückte, sie mit der anderen Hand im Nacken festhielt und sagte: »Du wirst ihn trinken, Margaret. Du bleibst hier so lange sitzen, bis du ihn getrunken hast«, riß Maggie ihre Arme hoch und schleuderte den heißen Tee ihrer Mutter an die Brust.
    Der Pullover sog die Flüssigkeit auf wie ein Schwamm und wurde zu einer glühendheißen zweiten Haut. Juliet Spence schrie auf und rannte zum Spülbecken. Maggie starrte sie voller Entsetzen an.
    »Mom!« rief sie. »Ich wollte nicht...«
    »Hinaus! Mach, daß du hinauskommst«, schrie ihre Mutter um Atem ringend. Und als Maggie sich nicht rührte, rannte sie zum Tisch zurück und riß an Maggies Stuhl. »Du hast gehört, was ich gesagt hab. Mach, daß du hinauskommst.«
    Es war nicht die Stimme ihrer Mutter. Es war auch nicht ihre Mutter, die da über dem Spülbecken stand und sich mit zusammengebissenen Zähnen das eiskalte Wasser, das aus dem Hahn strömte, mit vollen Händen auf ihren Pullover schüttete. Sie gab Geräusche von sich, als könnte sie nicht atmen. Und als sie endlich fertig war und der Pullover ganz von kaltem Wasser durchtränkt, beugte sie sich vor und zog ihn sich über den Kopf. Sie zitterte am ganzen Körper.
    »Mom!« sagte Maggie mit heller, unsicherer Stimme.
    »Hinaus! Ich kenn dich überhaupt nicht«, war die Antwort.
    Sie war stolpernd in den grauen Morgen hinausgelaufen und hatte auf der ganzen Fahrt zur Schule allein in einer Ecke des Busses gesessen. Im Lauf des Tages hatte sie sich langsam mit dem Ausmaß ihres Verlusts abgefunden. Sie erholte sich. Sie schlüpfte in einen starren kleinen Panzer, um sich zu schützen. Wenn ihre Mutter wollte, daß sie verschwand, dann würde sie eben verschwinden. O ja. Den Gefallen konnte sie ihr leicht tun.
    Nick liebte sie. Hatte er ihr das nicht immer wieder gesagt? Sagte er es ihr nicht jeden Tag, an dem er eine Möglichkeit dazu hatte? Sie brauchte ihre Mutter nicht. Wie schwachsinnig, zu glauben, daß sie sie je gebraucht hatte. Und ihre Mutter brauchte sie nicht. Wenn sie erst weg war, konnte ihre Mutter endlich ihr eigenes Leben mit Mr. Shepherd führen. Vielleicht war das sogar der Grund, warum sie sie - Maggie - immer wieder zwingen wollte, diesen Tee zu trinken. Vielleicht.
    Maggie fröstelte. Nein. Mom war gut. Sie war gut. Ganz bestimmt.
    Es war halb acht, als Maggie das alte Eishaus am Fluß verließ. Bis sie zu Hause war, würde es nach acht sein. Hocherhobenen Hauptes und ohne ein Wort zu sagen, würde sie hineingehen. Sie würde in ihr Zimmer hinaufgehen und die Tür schließen. Nie wieder würde sie mit ihrer Mutter sprechen. Wozu auch?
    Aber dann hatte sie Nicks Fahrrad gesehen und ihre Pläne über den Haufen geworfen. Sie war über die Straße gegangen zur tiefen Türnische des Tearooms, die vor dem Wind geschützt war. Dort wollte sie auf ihn warten.
    Sie hatte nicht gedacht, daß sie so lang würde warten müssen. Aus irgendeinem Grund hatte sie geglaubt, Nick würde spüren, daß sie hier draußen war, und seine Freunde drinnen stehenlassen, um sie zu suchen. Sie konnte nicht zu ihm hineingehen, weil es ja sein konnte, daß ihre Mutter auf der Suche nach ihr im Pub anrief, aber es machte ihr nichts aus zu warten. Er würde ja bald kommen.
    Fast zwei Stunden später kam er endlich heraus. Und als sie sich jetzt von hinten heranschlich und ihm den Arm um die Taille legte, fuhr er vor Schreck zusammen und kreischte wie eine Katze. Dann wirbelte er herum. Das Haar flog ihm in die Augen. Er warf es zurück und sah sie.
    »Mag!«
    Er lachte.
    »Ich hab auf dich gewartet. Dort drüben.«
    Er drehte den Kopf. Der Wind blies ihm das Haar ins Gesicht.
    »Wo?«
    »Da, beim Tearoom.«
    »Draußen? Mag, bist du verrückt? Bei dem Wetter? Du bist bestimmt total durchgefroren. Warum bist du nicht reingekommen?«
    Er richtete den Blick auf die erleuchteten Fenster des Pub, nickte einmal und sagte: »Wegen der Polizei. Stimmt's?«
    Sie runzelte die Stirn. »Wieso wegen der Polizei?«
    »New Scotland Yard. Der Mann scheint so gegen fünf gekommen zu sein, jedenfalls hat Ben Wragg das gesagt. Hast du das nicht gewußt? Ich war ganz sicher, du wüßtest es.«
    »Wieso?«
    »Wegen deiner Mutter.«
    »Wegen meiner Mutter? Was...?«
    »Die sind doch wegen Mr. Sage hier. Die sind anscheinend nicht zufrieden. Wir müssen mal miteinander reden, Mag.«
    Er blickte die Straße hinunter in

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