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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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sagte sie und fügte mit einem Lächeln hinzu: »Sie haben ihren ganzen Tag durcheinandergebracht. Überraschungen mag sie gar nicht.«
    Kate Gitterman erwartete ihn am Ende der Treppe, eine große Frau in einem Morgenrock aus kariertem Flanell, dessen Gürtel zu einer vollkommen symmetrischen Schleife gebunden war. Die vorherrschende Farbe des Kleidungsstücks war das gleiche Grün wie das des Teppichs, und darunter trug sie einen Pyjama identischer Färbung.
    »Ich hatte die Grippe«, sagte sie. »Jetzt kämpfe ich noch mit den letzten Nachwehen. Ich hoffe, Sie lassen sich davon nicht stören.«
    Sie ließ ihm keine Gelegenheit zu einer Erwiderung. »Bitte kommen Sie.«
    Sie führte ihn durch einen schmalen Flur in das Wohnzimmer einer modernen, gut ausgestatteten Wohnung. Irgendwo pfiff ein Wasserkessel, als sie eintraten, und mit einem »Einen Augenblick, bitte« eilte sie davon. Die Sohlen ihrer schmalen Lederpantoffeln klatschten auf das Linoleum, als sie in der Küche hin und her ging.
    Lynley sah sich in dem Wohnzimmer um. Wie das Büro im Erdgeschoß war es ordentlich bis zur Zwanghaftigkeit, mit Regalen, Borden und Ständern, in denen jedes Ding seinen festen Platz zu haben schien. Die Kissen auf dem Sofa und in den Sesseln standen genau im selben Winkel, der kleine Orientteppich vor dem offenen Kamin lag genau in der Mitte. Im Kamin selbst brannte weder Holz noch Kohle, vielmehr eine Pyramide künstlicher Scheite, rotglühend wie schwelende Asche.
    Er war gerade dabei, die Beschriftung ihrer Videobänder zu lesen - säuberlich aufgereiht unter einem Fernsehapparat -, als sie wieder reinkam.
    »Ich versuche, mich fitzuhalten«, sagte sie, wohl um zu erklären, weshalb außer einer Aufnahme von Oliviers Sturmhöhen nur Kassetten mit Fitneßprogrammen irgendwelcher Filmschauspielerinnen vorhanden waren.
    Er konnte sehen, daß körperliche Fitneß ihr etwa ebenso wichtig war wie peinliche Ordnung; ganz abgesehen davon, daß sie selbst schlank, straff und sportlich wirkte, war das einzige Bild im Zimmer eine gerahmte, auf Postergröße vergrößerte Fotografie von ihr selbst als Wettläuferin, die Nummer 194 auf der Brust. Sie trug ein rotes Stirnband und schwitzte stark, aber für die Kamera hatte sie dennoch ein strahlendes Lächeln zustande gebracht.
    »Mein erster Marathonlauf«, bemerkte sie. »Der erste ist immer etwas ganz Besonderes.«
    »Ja, das kann ich mir vorstellen.«
    »Hm. Also...«
    Sie fuhr sich mit der Hand durch das hellbraune Haar mit den sorgfältig eingefärbten blonden Strähnchen. Es war ziemlich kurz geschnitten und zu einer modisch sportlichen Frisur gefönt, die auf häufige Besuche bei einem Friseur, der mit Schere und Farbe umzugehen wußte, schließen ließ. Im grauen Licht des regnerischen Tages und angesichts der Fältchen um die Augen hätte Lynley sie auf Mitte bis Ende vierzig geschätzt. Doch er konnte sich vorstellen, daß sie geschminkt und zurechtgemacht und im schmeichelnden künstlichen Licht eines Restaurants gesehen mindestens zehn Jahre jünger wirkte.
    Sie hielt eine große Tasse, aus der duftender Dampf aufstieg. »Hühnerbrühe«, sagte sie. »Ich sollte Ihnen wohl auch etwas anbieten, aber ich habe leider keine Erfahrung darin, wie man sich benimmt, wenn die Polizei zu Besuch kommt. Und Sie sind doch von der Polizei, nicht wahr?«
    Er reichte ihr seinen Ausweis. Im Gegensatz zu der Empfangsdame unten sah sie ihn sich genau an, ehe sie ihn zurückreichte.
    »Ich hoffe, es geht nicht um eine meiner Angestellten.«
    Sie ging zum Sofa, setzte sich auf seine Kante und stellte die Tasse mit der Hühnerbrühe auf ihr Knie. Sie hatte die Schultern einer Schwimmerin und die kerzengerade Haltung einer viktorianischen Dame im engen Korsett. »Ich prüfe sie immer sehr gründlich, wenn sie sich bewerben. Ich nehme nur Leute mit ausgezeichneten Referenzen. Wenn die Mädchen von mehr als zwei ihrer Arbeitgeber schlechte Zeugnisse bekommen, nehme ich sie nicht. Darum habe ich auch nie Schwierigkeiten.«
    Lynley setzte sich in einen der Sessel. »Ich bin wegen eines Mannes namens Robin Sage hier«, erklärte er. »Die Wegbeschreibung zu diesem Haus war unter seinen Sachen, und in seinem Terminkalender stand Ihr Vorname. Kennen Sie ihn? War er in letzter Zeit einmal bei Ihnen?«
    »Robin? Ja.«
    »Wann?«
    Sie zog die Brauen zusammen. »Ich kann mich nicht genau erinnern. Es war irgendwann im Herbst. Vielleicht Ende September.«
    »Könnte es der elfte Oktober gewesen

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