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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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sein?«
    »Möglich ist es. Soll ich nachsehen?«
    »Hatte er einen Termin?«
    »So könnte man es nennen. Warum? Steckt er in irgendwelchen Schwierigkeiten?«
    »Er ist tot.«
    Sie umfaßte den Henkel ihrer Tasse etwas fester, doch das war die einzige Reaktion, die Lynley beobachten konnte. »Ist das ein polizeiliches Ermittlungsverfahren?«
    »Er starb unter recht ungewöhnlichen Umständen.«
    Er wartete darauf, daß sie das Selbstverständliche tun und ihn nach den Umständen fragen würde. Als sie das nicht tat, fügte er hinzu: »Sage hat in Lancashire gelebt. Ich darf wohl annehmen, daß er nicht zu Ihnen kam, weil er eine Aushilfskraft engagieren wollte.«
    Sie trank einen Schluck von ihrer Bouillon. »Er war hier, weil er mit mir über Susanna sprechen wollte.«
    »Seine Frau.«
    »Meine Schwester.«
    Sie zog ein weißes Taschentuch heraus, tupfte sich die Mundwinkel damit und steckte es wieder ein. »Ich hatte seit dem Tag ihrer Beerdigung nichts mehr von ihm gehört oder gesehen. Er war hier nicht gerade willkommen. Nach allem, was passiert war.«
    »Zwischen ihm und seiner Frau?«
    »Und mit dem Kind. Diese schreckliche Geschichte mit Joseph.«
    »Er starb als Säugling, wenn ich recht unterrichtet bin.«
    »Ja, er war gerade drei Monate alt. Es war ein plötzlicher Kindstod. Susanna ging morgens zu ihm hinein, um ihn zu wecken. Sie glaubte, er hätte das erste Mal durchgeschlafen. Er war bereits seit Stunden tot. Sie brach ihm drei Rippen, als sie versuchte, ihn wiederzubeleben. Natürlich gab es eine Untersuchung. Und als das mit den gebrochenen Rippen bekannt wurde, war von Kindesmißhandlung die Rede.«
    »Bei der Polizei?« fragte Lynley erstaunt. »Wenn die Knochen nach dem Tod gebrochen waren -«
    »Dann konnte die Polizei das feststellen, ja, das weiß ich. Nein, bei der Polizei war nicht die Rede davon. Natürlich wurde meine Schwester verhört, aber sobald der Befund des Pathologen da war, hatte die Polizei keine Fragen mehr an sie. Aber die Leute haben natürlich getuschelt. Und Susanna befand sich ja in einer exponierten Stellung.«
    Kate stand auf und ging zum Fenster. Sie schob die Vorhänge auf die Seite. Regen schlug gegen die Scheiben. Sie sagte sinnend, aber ohne sonderlichen Ingrimm: »Ich habe ihm die Schuld gegeben. Ich gebe sie ihm immer noch. Aber Susanna hat sich allein die Schuld gegeben.«
    »Nun, das ist doch eine ziemlich normale Reaktion.«
    »Normal?«
    Kate lachte leise. »Nichts war normal an ihrer Situation.«
    Lynley wartete ohne Antwort oder Frage. Der Regen rann in Bächen an den Fensterscheiben herunter. Unten im Büro läutete ein Telefon.
    »Joseph schlief die ersten zwei Monate in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer.«
    »Das ist doch wohl kaum anormal.«
    Sie schien ihn nicht zu hören. »Dann bestand Robin darauf, daß er sein eigenes Zimmer bekam. Susanna wollte den Kleinen in ihrer Nähe haben, aber sie gab Robin nach. Das war ihre Art. Und er war sehr überzeugend.«
    »Inwiefern?«
    »Er behauptete steif und fest, ein Kind, gleich welchen Alters, könnte nicht wiedergutzumachenden Schaden erleiden, wenn es Zeuge der, wie Robin es in seiner unerschöpflichen Bildung nannte, ›Primärszene‹ zwischen seinen Eltern werde.«
    Kate wandte sich vom Fenster ab. »Robin weigerte sich, Susanna anzurühren, solange das Baby im Zimmer war. Als Susanne die - äh - ehelichen Beziehungen wiederaufnehmen wollte, mußte sie sich deshalb Robins Wünschen fügen. Aber Sie können sich denken, wie der Tod des Kleinen sich auf zukünftige Primärszenen zwischen ihnen auswirkte.«
    Die Ehe sei sehr schnell in die Brüche gegangen, berichtete sie. Robin stürzte sich in seine Arbeit. Susanna versank in Depressionen.
    »Ich lebte damals in London«, sagte Kate, »und holte sie eine Weile zu mir. Ich ging mit ihr in Galerien. Ich gab ihr Bücher, mit deren Hilfe sie die Vögel im Park identifizieren konnte. Ich habe ihr Spaziergänge durch die Stadt aufgezeichnet und sie gezwungen, jeden Tag einen zu machen. Irgend jemand mußte schließlich etwas tun. Ich hab's versucht.«
    »Was?«
    »Sie ins Leben zurückzuholen. Was glauben Sie denn? Sie schwelgte förmlich in Schuldgefühlen und Selbstekel. Das war nicht gesund. Und Robin war auch nicht gerade hilfreich.«
    »Ich könnte mir denken, er war mit seinem eigenen Schmerz beschäftigt.«
    »Sie weigerte sich einfach, einen Strich zu ziehen. Jeden Tag, wenn ich nach Hause kam, saß sie auf dem Bett und hielt das Foto des Babys an ihre

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