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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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sich einen Gin geben, nickte den vier Männern zu, die dort standen, und ging zu ihrem Tisch beim offenen Kamin. Er wartete nicht auf eine Aufforderung, sich zu ihr zu setzen. Heute abend wenigstens hatte er einen Vorwand.
    Sie blickte auf, als er sehr bestimmt sein Glas auf den Tisch stellte und sich auf dem dreibeinigen Hocker niederließ. Ihr Blick wanderte von ihm zur Tür auf der anderen Seite, hinter der sich der Aufenthaltsraum für die Hotelgäste befand. »Bren«, sagte sie, »Sie dürfen sich nicht hierher setzen. Fahren Sie lieber nach Hause.«
    Sie sah schlecht aus. Obwohl sie direkt am Feuer saß, hatte sie weder Mantel noch Schal abgelegt, und als er seine Jacke aufknöpfte und seinen Hocker näher an den ihren heranschob, schien sie sich wie zum Schutz zusammenzuziehen.
    »Bren«, sagte sie wieder, leise und drängend, »bitte, hören Sie auf mich.«
    Brendan sah sich gleichgültig in der Gaststube um. Sein Gespräch mit Colin Shepherd - insbesondere die letzte Bemerkung, die er dem Constable im Weggehen hingeworfen hatte - hatte seinem Selbstbewußtsein Auftrieb gegeben wie schon lange nicht mehr. Er fühlte sich gegen neugierige Blicke und Getuschel, ja, sogar gegen direkte Konfrontation gefeit. »Wen haben wir denn hier schon, Polly? Arbeiter, Bauern, ein paar Hausfrauen, ein paar Jugendliche. Was die denken, ist mir doch völlig gleich. Die denken sich doch sowieso, was sie wollen, oder nicht?« »Um die geht's doch gar nicht. Haben Sie nicht seinen Wagen gesehen?«
    »Wessen Wagen?«
    »Seinen. Mr. Townley-Youngs. Er ist da drinnen.«
    Sie wies mit dem Kopf zum Aufenthaltsraum. »Mit ihnen.«
    »Mit wem?«
    »Den Polizeibeamten aus London. Verschwinden Sie also lieber, bevor er rauskommt und...«
    »Und was? Was?«
    Sie antwortete mit einem Achselzucken. Die Bewegung ihrer Schultern, die Linie ihres Mundes verrieten ihm, was sie von ihm hielt. Das gleiche wie Rebecca. Alle hier sahen ihn so; jeder einzelne in diesem ganzen gottverdammten Dorf. Alle glaubten sie, er stünde unter der Fuchtel seines Schwiegervaters, ein Schwächling, auf Lebenszeit an der Kandare.
    »Ich habe keine Angst vor meinem Schwiegervater«, sagte er kurz. »Auch wenn das alle glauben. Ich bin durchaus in der Lage, mich gegen ihn zu behaupten. Ich bin zu weit mehr fähig, als diese Bande hier mir zutraut.«
    Er erwog flüchtig, eine Wennsienurwüßten-Andeutung anzuhängen, um seiner Behauptung Glaubwürdigkeit zu verleihen. Aber Polly Yarkin war kein kleines Dummchen. Sie würde fragen und bohren, und am Ende würde er preisgeben, was er am dringendsten für sich behalten wollte. Darum sagte er statt dessen: »Ich habe ein Recht, hier zu sein. Ich habe das Recht, mich hinzusetzen, wo ich will. Ich habe das Recht zu sprechen, mit wem ich will.«
    »Sie benehmen sich dumm.«
    »Außerdem handelt es sich um eine geschäftliche Angelegenheit.«
    Er kippte seinen Gin. Der Alkohol rann ihm angenehm die Kehle hinunter. Er erwog einen Gang zum Tresen, um sich ein zweites Glas zu holen. Das würde er auch gleich kippen und dann vielleicht noch ein drittes trinken, und zum Teufel mit jedem, der versuchte, ihn davon abzuhalten.
    Polly spielte mit einem Stapel Bierdeckel. Sie konzentrierte sich so angestrengt darauf, als könnte sie auf diese Weise weiterhin vermeiden, seine Anwesenheit offen zur Kenntnis zu nehmen. Er wünschte, sie würde ihn ansehen. Er wünschte, sie würde sich ihm zuwenden und seinen Arm berühren. Er war jetzt wichtig in ihrem Leben, und sie wußte es noch nicht einmal. Aber sie würde es bald genug erfahren.
    »Ich war draußen in Cotes Hall«, sagte er.
    Sie antwortete nicht.
    »Zurück bin ich den Fußweg gegangen.«
    Sie richtete sich auf ihrem Hocker auf, als wollte sie aufstehen und gehen. Mit einer Hand griff sie sich in den Nacken und rieb ihn.
    »Ich habe Constable Shepherd getroffen.«
    Sie machte keine Bewegung mehr. Ihre Augenlider schienen zu beben, als wollte sie ihn ansehen, könnte sich aber nicht einmal diese Art des Kontakts gestatten. »Und?« sagte sie.
    »Sie sollten sich lieber in acht nehmen.«
    Endlich Kontakt. Sie sah ihn an. Aber nicht Neugier las er in ihrem Gesicht. Da war kein Verlangen, mehr zu erfahren oder Klarheit zu erhalten. Ganz langsam stieg eine fleckige Röte von ihrem Hals auf und breitete sich in ihrem Gesicht aus.
    Das brachte ihn aus der Fassung. Sie hätte jetzt fragen müssen, was er mit seiner Bemerkung meinte, und auf seine Erläuterung hin hätte sie ihn um Rat

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