06 - Der Schattenkrieg
Sir.«
»Unsinn. Wenn ich bei der Marine endlich gelernt hatte, meine Arbeit richtig zu tun, wurde ich schon wieder versetzt, und das Ganze ging von vorne an. So ist das im Leben, Jack.«
Ryan dachte darüber nach und schaute sich im Raum um. Admiral Greer wurde über durchsichtige Kunststoffschläuche künstlich ernährt. Ein blaugrünes Ding, das wie eine Schiene aussah, deckte die Nadeln in seinem Arm ab, aber er konnte sehen, daß sich an früheren Einstichstellen häßliche Blutergüsse gebildet hatten; kein gutes Zeichen. Neben dem Tropf hing die Flasche mit dem Medikament, das er im Rahmen der Chemotherapie erhielt. Im Grund ein Gift, denn es handelte sich um ein Biozid, das die Krebszellen nur ein wenig rascher tötete als den Patienten. Greer sah aus wie das Opfer eines grausamen Experiments.
Doch das stimmte nicht. Die besten Leute auf diesem Gebiet taten alles, um ihn am Leben zu halten - und schafften es nicht. Noch nie hatte Ryan seinen Chef so abgemagert gesehen. Bei jedem Besuch er kam mindestens dreimal in der Woche zu ihm schien er weiter abgenommen zu haben. In seinen Augen funkelte trotzige Energie, aber das Licht am Ende dieses Tunnels der Schmerzen war nicht die Genesung, sondern der Tod. Das wußten beide. Jack öffnete seinen Aktenkoffer.
»Sie wollten sich das ansehen.« Ryan reichte ihm die Papiere. Dabei verhedderten sie sich beinahe in den Schläuchen, und Greer grummelte über die »Plastik-Spaghetti«.
»Sie fliegen morgen nach Belgien, nicht wahr?«
»Ja, Sir.«
»Schöne Grüße an Rudi und Franz vom BND. Und nehmen Sie sich vor dem belgischen Bier in acht. Das hat’s in sich.«
Ryan lachte. »Jawohl, Sir.« Admiral Greer überflog die erste Akte. »In Ungarn gärt es noch immer, wie ich sehe.«
»Man hat den Ungarn zu verstehen gegeben, daß sie ein wenig langsamer tun sollen, aber das Grundproblem verschwindet dadurch nicht. Es ist aber in unser aller Interesse, daß die Entwicklung nicht aus dem Ruder läuft. Unser Freund Gerasimow hat uns Tips gegeben, wie man bestimmte Leute erreicht.«
Darüber hätte Greer beinahe gelacht. »Typisch. Wie hat sich der frühere KGB-Direktor in Amerika zurechtgefunden?«
»Nicht so gut wie seine Tochter. Wie sich herausstellte, wollte sie sich schon immer die Nase richten lassen. Nun, wir haben ihr den Wunsch erfüllt.« Jack grinste. »Als ich sie zuletzt sah, schmorte sie in der Sonne. Nächsten Herbst beginnt sie ihr Studium. Frau Gerasimowa ist immer noch nervös, und Gerasimow unterstützt uns nach wie vor. Was aus ihm wird, wenn wir mit ihm fertig sind, wissen wir noch nicht.«
»Arthur soll ihm mein altes Haus in Maine zeigen. Das Klima wird ihm zusagen, und das Haus ist leicht zu bewachen.«
»Gut, ich werde es ausrichten.«
»Gefällt es Ihnen, über die ganze operative Seite informiert zu werden?« fragte James Greer. »Was mir bis jetzt unter die Augen gekommen ist, war interessant genug, aber ich bekomme bisher nur zu sehen, was ich unbedingt wissen muß.«
»Wer hat das angeordnet?« fragte Greer überrascht. »Richter Moore«, erwiderte Jack. »Da sind ein paar Sachen am Dampfen, über die ich nicht informiert sein soll.«
»Ach, wirklich?« Greer schwieg einen Augenblick lang. »Jack, nur für den Fall, daß Ihnen das noch niemand gesagt hat: Als Chef eines Direktorats sind Sie für alles zugelassen. Sie müssen sogar alles wissen, denn es ist Ihre Aufgabe, den Kongreß zu informieren.«
Ryan tat das als unwichtig ab. »Na ja, vielleicht sieht der Richter das anders…«
Der DDI versuchte, sich im Bett aufzusetzen. »Jetzt hören Sie mal zu. Was Sie da gerade gesagt haben, ist Quatsch! Sie müssen Bescheid wissen, und Sie können Arthur ruhig ausrichten, daß ich das gesagt habe.«
»Jawohl, Sir.« Ryan wollte seinen Chef nicht aufregen. Immerhin war er nur der provisorische Leiter des Direktorats und war es gewohnt, von operativen Dingen ausgeschlossen zu sein.
15
Boten
Clark flog nach San Diego und fuhr mit einem Mietwagen zu dem nahegelegenen Marinestützpunkt. Auf USS Ranger ging es geschäftig zu. Clark parkte seinen Wagen auf einem für Matrosen reservierten Platz und ging zu Fuß zum Kai, vorbei an Lastern, Kränen und anderem rollenden Gerät. Der Flugzeugträger sollte in acht Stunden auslaufen und wurde von seiner zweitausendköpfigen Besatzung mit Vorräten beladen. Abgesehen von einer alten F-4 Phantom, die keine Triebwerke mehr hatte und als Demonstrationsobjekt bei der Ausbildung der Flugdeck-Crew diente, waren keine
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