06 - Der Schattenkrieg
ein solches Unternehmen. Keine Angst, diese Männer sind Berufssoldaten und verstehen das. Sie werden Ihnen keine Probleme machen. Bald wird es sich bei den Bauern herumsprechen, daß sich die Arbeit für die Narcos nicht lohnt. Das wird die Produktion behindern, wenn auch nur für ein paar Monate. Auf jeden Fall wird der Straßenverkaufspreis für Kokain bald steigen. Auch darauf können Sie hinweisen. Und die Presse wird es noch vor unserer Erklärung bringen.«
»Um so besser«, bemerkte der Präsident und lächelte zum ersten Mal an diesem Tag. »Gut, aber seien wir von jetzt an etwas vorsichtiger.«
»Selbstverständlich, Mr. President.«
Nach dem Frühsport saßen die Offiziere der 7. Division beim Frühstück und unterhielten sich über das Thema des Tages. »War auch Zeit«, kommentierte ein Captain.
»Es heißt, es sei eine Autobombe gewesen«, meinte ein anderer. »Mit so was kennt sich die CIA bestimmt aus«, erklärte ein Kompaniechef. »Konnte ja im Libanon genug Erfahrungen sammeln.« »So einfach ist das auch wieder nicht«, gab der Geheimdienstoffizier eines Bataillons zu bedenken, der bei den Rangers gedient hatte und sich mit Bomben und Sprengfallen auskannte. »Sieht aber so aus, als habe jemand die Sache elegant gedreht.«
»Schade, daß wir nicht da unten eingreifen können«, meinte ein Lieutenant. Die niederen Ränge grunzten zustimmend, die höheren schwiegen. Entsprechende Pläne wurden schon seit Jahren in Divisions- und Korpsstäben diskutiert. Es fällt schwer, die Abscheu, die man in der Army gegenüber Drogen empfindet, zu übertreiben. Die höheren Offiziere vom Major an aufwärts konnten sich noch der Drogenprobleme der siebziger Jahre entsinnen; damals war die Army tatsächlich so ausgehöhlt gewesen, wie ihre Kritiker behauptet hatten, und es war vorgekommen, daß Offiziere bestimmte Orte nur mit einer bewaffneten Eskorte aufsuchten. Der Sieg über diesen Feind hatte jahrelange Anstrengungen gekostet. Selbst heute noch muß sich jedes Mitglied des amerikanischen Militärs ohne Vorwarnung und willkürlich ausgewählt, Drogentests unterziehen. Wurden Offiziere oder Unteroffiziere erwischt, gab es keine Gnade. Ein positiver Test, und man war erledigt. Vom Dienstgrad E-5 an abwärts gab es mehr Spielraum: Ein positiver Test hatte eine strenge Verwarnung zur Folge; nach dem zweiten flog der Betreffende hinaus. Der offizielle Slogan lautete ganz schlicht: NICHT IN MEINER ARMEE! Und dann gab es noch eine weitere Dimension. Die meisten Männer am Tisch waren verheiratet und hatten Kinder, an die sich Dealer heranmachen konnten, um sie als potentielle Kunden zu keilen. Es bestand die allgemeine Übereinkunft, daß ein Dealer, der dem Kind eines Berufssoldaten Drogen verkaufte, in Lebensgefahr schwebte. Es passierte zwar nur selten etwas, weil Soldaten disziplinierte Menschen sind, aber die Bereitschaft zum Handeln war da. Und die Fähigkeit auch.
Es war schon hin und wieder einmal ein Rauschgifthändler einfach verschwunden, Opfer der Konkurrenz, wie es unweigerlich hieß. Viele dieser Mordfälle blieben ungelöst.
Man durfte zwar Kriegseinsätze - und darum ging es im Grunde nicht auf die leichte Schulter nehmen, aber man war allgemein der Ansicht, ein solches Unternehmen sei durchführbar sofern sich die Regierung des fraglichen Landes einverstanden erklärte. Und damit war natürlich nicht zu rechnen.
Jäh erkannte Timothy Jackson, wo Chavez sich befand und was er tat. Es kamen einfach zu viele Zufälle zusammen. Chavez, Munoz und León hatten Spanisch als Muttersprache. Alle hatten die Einheit am selben Tag verlassen. Sie nahmen also an einer verdeckten Operation teil, vermutlich auf Anforderung der CIA. Gewiß eine gefährliche Aufgabe, aber sie waren eben Soldaten. Nun, da Lieutenant Jackson wußte, was er nicht wissen durfte, konnte er freier atmen. Was immer Chavez auch treiben sollte, es ging in Ordnung.
Nachdem sich die Fernsehteams entfernt hatten, um ihre Kommentare zu verfassen und aufzuzeichnen, setzte sich Cortez in einen Jeep und fuhr zurück auf den Hügel. Er war übermüdet und gereizt, vor allem aber neugierig. Etwas sehr Merkwürdiges war geschehen, und er konnte keine Ruhe finden, bis er wußte, was es war. Die beiden Überlebenden waren nach Medellin zur Behandlung gebracht worden und sollten später verhört werden. Erst aber mußte Cortez mit dem Polizeihauptmann sprechen, der den Polizeitrupp an der Explosionsstelle befehligte, einem Mann, der schon vor langem zu
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